Berlin (epd). Ärztepräsident Klaus Reinhardt hat die Bundestagsparteien aufgefordert, die Gesetzgebung zur Sterbehilfe neu zu regeln. "Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom Februar 2020 dem Bundestag nahegelegt, die organisierte Sterbehilfe erneut zu regulieren und die Suizidprävention zu verbessern. Diese Diskussion muss das Parlament in den kommenden Monaten führen", sagte Reinhardt dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland" (Freitag).
"Das Verfassungsgericht hat zwar das Verbot der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe gekippt, gleichzeitig aber auf Schutzkonzepte und Sicherungsmechanismen hingewiesen, um Sterbehilfeorganisationen Grenzen zu setzen", sagte der Ärztepräsident: "So lange das nicht geschieht, können selbsternannte Sterbehelfer machen, was sie wollten. Das kann und darf so nicht bleiben."
Durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts gilt in Deutschland wieder die Rechtslage von vor 2016, wonach Sterbehilfeorganisationen Suizidassistenz leisten dürfen. Ob der Bundestag noch in der laufenden, im September zu Ende gehenden Wahlperiode ein neues Gesetz beschließt, das ihnen zumindest konkrete Regeln dafür vorgibt oder Ärzten die Suizidassistenz erlaubt, ist bislang offen. Mehrere Abgeordnete beraten seit längerem über das Thema. Ein konkreter Vorschlag liegt aber noch nicht vor.
Reinhardt sagte: "Wir werden auf dem Ärztetag im Mai darüber diskutieren, ob und wenn ja, wie wir unsere Berufsordnung an dieser Stelle anpassen müssen." In der Muster-Berufsordnung der Bundesärztekammer heißt es, dass Ärzte keine Hilfe zur Selbsttötung leisten dürfen.
"Aus meiner Sicht wäre ein apodiktisches Verbot des ärztlich assistierten Suizids wohl kaum mit dem Karlsruher Urteil zu vereinbaren", sagte Reinhardt. Allerdings bestehe in der Ärzteschaft die Sorge, dass bei einer Änderung der bestehenden berufsrechtlichen Regelung der Eindruck entstehen könnte, die Ärzteschaft sei generell zum assistierten Suizid bereit. "Das ist definitiv nicht der Fall", sagte der Ärztepräsident und fügte hinzu: "Für mich persönlich ist die Hilfe zur Selbsttötung keine ärztliche Aufgabe. Es widerspricht grundsätzlich dem ärztlichen Ethos, weil wir dem Leben verpflichtet sind und nicht dem Sterben."
epd kfr