Auf einem religionspolitischen Online-Kolloquium der Rosa-Luxemburg-Stiftung warb Segbers für eine abgewandelte Form der sogenannten Kultursteuer nach italienischem Vorbild. Bei dieser können Bürger wählen, ob ihre Pflichtsteuer Religionsgemeinschaften, sozialen oder kulturellen Zwecken zugutekommen soll. Allerdings müsste dieses Modell stark an die deutsche Rechtslage angepasst werden, sagte Segbers.
Als Modell einer zeitgemäßen Religionsfinanzierung schlägt Segbers drei Säulen vor: Die erste Säule bestehe aus Kollekten und Spenden, die zweite Säule aus einem Kirchensteuereinzug durch eigene Kirchensteuerämter der Kirchen - und nicht mehr über das Finanzamt. Die dritte Säule bestehe aus einer "Gemeinwohlfinanzierung durch steuerliche Bürgergutscheine". Der Staat soll einen Teil der Einkommenssteuer mittels eines Gutscheins den Bürgern zur Verfügung stellen.
Bürger entscheiden selbst mit
Mit solchen Gutscheinen könnten Bürger etwa eine Hilfsorganisation, eine jüdische Organisation, eine muslimische Gemeinde oder eine Einrichtung der Diakonie unterstützen. Dazu müsse der Staat das in kommunalen Haushalten bereits vielfach praktizierte Modell eines Bürgerhaushalts für mehr Mitbestimmung auf Bundesebene einführen.
Segbers hatte im Auftrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung die im Oktober veröffentlichte Studie "Neuausrichtung der Finanzierung von Religionsgemeinschaften im säkularen Staat" erstellt. Die Arbeit solle einen Beitrag zur Debatte über den Platz von christlichen Kirchen, anderen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften sowie Konfessionslosen in einer demokratischen, pluralen und säkularen Gesellschaft leisten, erklärte die der Linkspartei nahe stehende Stiftung.
Eine solche Neuordnung der Finanzierung der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften soll eine konsequentere Trennung von Staat und Kirche durchsetzen. Sie bleibe zudem unterhalb der Schwelle einer Verfassungsänderung, sagte Segbers.
Die Kirchen finanzieren mit der Kirchensteuer unter anderen ihr Personal in Seelsorge und sozialen Einrichtungen und Zuschüsse an sozial-caritative Verbände und Einrichtungen. Die Kirchensteuer ist dem Verständnis nach ein Mitgliedsbeitrag. Sie wird von den Finanzämtern eingezogen, die für den Verwaltungsaufwand je nach Bundesland zwischen zwei und vier Prozent der Einnahmen erhalten. Die evangelischen Landeskirchen erzielten im Jahr 2019 Einnahmen aus der Kirchensteuer in Höhe von 5,9 Milliarden Euro. In der katholischen Kirche betrug das Kirchensteueraufkommen 2019 rund 6,8 Milliarden Euro.