TV-Tipp: "Pohlmann und die Zeit der Wünsche"

Fernseher, TV, TV-Tipps, Fernsehen
© Getty Images/iStockphoto/vicnt
TV-Tipp: "Pohlmann und die Zeit der Wünsche"
4. Dezember, ARD, 20.15 Uhr
Mit liebevoll entworfenen Figuren und vielen überraschenden Haken in der Handlung ist "Pohlmann und die Zeit der Wünsche" ein besonderer Film.

Der besondere Zauber vieler romantischer Komödien liegt in der Begegnung von Menschen, die sich unter normalen Umständen nie über den Weg laufen würden. Tom Pohlmann ist Architekt und Teilhaber einer sehr erfolgreichen Firma, leidet jedoch unter diversen Phobien und Neurosen und führt ein äußerlich zwar optimiertes, innerlich jedoch sehr einsames Leben in einem teuren, aber auch sehr steril wirkenden Eigenheim. Weil er kein Wort mehr über die Lippen bringt, wenn er vor mehr als zwei Menschen sprechen muss, ist sein Partner Jens (Marc Hosemann), der ihn in der gemeinsamen Jugend vor rüpelhaften Mitschülern beschützt hat, für die Repräsentation des gemeinsamen Unternehmens zuständig. Gegenentwurf zum vermögenden Pohlmann ist Sarah (Marlene Morreis), in deren Dasein seit einiger Zeit alles schiefgeht: Das Leben hat jedes Mal eine andere Richtung eingeschlagen, während sie noch dabei war, Pläne zu schmieden. Sie ist studierte Psychologin, aber dann kam Sohn Paul (Oskar Netzel) dazwischen. Ihren Traum vom eigenen Kiosk in guter Lage musste sie auch begraben: Ihr Mann hat sie mit dem gemeinsamen Sohn sowie einem Haufen Schulden sitzen gelassen; den Laden musste sie schließen. Die Wege von Tom und Sarah kreuzen sich, weil der Architekt des Öfteren zu flott mit seinem Sportflitzer unterwegs war und nun Sozialstunden ableistet; und zwar just auf der Kinderstation jenes Krankenhauses, in das Sarah ihren zwölfjährigen Sohn eingeliefert hat, weil der Junge wieder mal einen seiner ebenso regelmäßigen wie rätselhaften Anfälle von Atemnot hatte.

Das klingt nach einer zwar potenziell sympathischen, aber nicht weiter ungewöhnlichen Geschichte, doch "Pohlmann und die Zeit der Wünsche" ist nicht zuletzt wegen der liebevoll entworfenen Figuren, der originell eingefädelten Romanze und der vielen überraschenden Haken, die die Handlung schlägt, ein besonderes Werk. Das zeigt sich schon beim doppeldeutigen Titel, schließlich beweist die ARD-Tochter Degeto bei ihren Freitagskomödien in dieser Hinsicht oft genug kein gutes Händchen: Die sanfte Komödie spielt zur Weihnachtszeit; Wünsche ist aber auch der Nachname von Sarah und Paul. Die Filme von Matthias Tiefenbacher, darunter Beiträge zu Krimireihen wie "Kommissar Dupin", "Der Tel-Aviv-Krimi" (beide ARD) oder "Schwarzach 23", sind ohnehin nie Zeitverschwendung und zeichnen sich stets durch vorzügliche schauspielerische Leistungen aus; in diesem Fall gebührt ihm eine besondere Anerkennung für die Führung des jungen Oskar Netzel, der sich bemerkenswert gut neben Marlene Morreis und Benjamin Sadler hält.

Natürlich gehört es zum Muster solcher Geschichten (Drehbuch: Martin Douven, Tiefenbacher), dass die potenzielle Beziehung unter denkbar schlechten Vorzeichen beginnt: Weil Tom es wieder mal eilig hat, landet Sarah auf dem Weg zum Kreditgespräch bei ihrer Bank mit dem Fahrrad im Dreck. Das zweite Aufeinandertreffen findet in einer öffentlichen Toilette statt: Sie muss aufs Männerklo, um sich umzuziehen, und ertappt Tom dabei, wie er sich für eine Präsentation bei einem Architekturwettbewerb mit dem beschwörenden Mantra aus einer Lebenshilfe-App Mut zuspricht. Sarah weiß zwar nicht, dass Pohlmann für ihren Sandsturz verantwortlich ist, aber als sie erfährt, aus welchem Grund er seine Sozialstunden leisten muss, ist er für sie ohnehin gestorben.

Der spezielle Reiz des Films liegt in dem allmählichen Wandel, denn der Architekt durchläuft: Eigentlich mag er keine Kinder, weshalb er selbstredend denkbar ungeeignet für den Krankenhausjob ist, aber dank der gemeinsamen Begeisterung für eine intergalaktische Comicserie findet er einen speziellen Draht zu Paul, der mit seiner Taschenlampe Hilferufe zu den Sternen sendet. Pohlmann  erkennt in der Einsamkeit des Jungen die eigene Kindheit: Seine Mutter ist früh gestorben, und Sarah muss dauernd arbeiten, um sich und Paul durchzubringen. Außerdem zeigt sich, dass ausgerechnet der vermeintliche Misanthrop einen überraschend guten Zugang zu Kindern findet: Dank Umhang und Maske verwandelt er sich in einen Superhelden und nimmt den kleinen Patienten ihre Ängste; die Schwestern auf der Station sind entzückt. In der bewegendsten Szene des Films kümmert sich Pohlmann um ein todkrankes Mädchen und offenbart sogar Zauberkräfte, als er ein aus Papier gefaltetes Einhorn zum Schweben bringt. Weil Tiefenbacher sein Handwerk versteht, ist der Augenblick lange nicht so kitschig, wie er klingt, zumal die Geschichte ohnehin märchenhafte Züge trägt: Letztlich geht es darum, dass ein einsamer Mann erst das verschüttete Kind in sich wiederentdecken muss, um Zugang zu seinen Mitmenschen zu finden. Dafür sorgt vor allem Paul, der Pohlmann ganz ungeniert mit seiner Mutter verkuppeln will, was wiederum nicht ganz einfach ist, weil die beiden Erwachsenen nicht mehr an die Liebe glauben; erst recht, als die überfürsorgliche Sarah, die außerdem ein kleines Problem mit ihrer Impulskontrolle hat, herausfindet, dass das Unternehmen des Architekten die Verantwortung für Pauls Anfälle trägt.