Berlin (epd). Weltweit gibt es Schätzungen zufolge rund zehn Millionen staatenlose Menschen ohne Zugang zu grundlegenden Rechten und zu staatlichen Leistungen. Davon sind allerdings nur rund 4,2 Millionen Menschen auch als staatenlos registriert. Das geht aus dem ersten "Atlas der Staatenlosen" hervor, der am Donnerstag von der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Berlin gemeinsam mit dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) vorgestellt wurde. Die Zahl der Betroffenen dürfte weitaus höher sein, die Datenlage sei äußerst lückenhaft, hieß es.
Staatenlose Personen sind Menschen, die kein Staat als Angehörige nach nationalem Recht ansieht. Die Hälfte der bekannten Betroffenen lebt den Angaben zufolge in den vier Ländern Elfenbeinküste, Bangladesch, Thailand und Myanmar. Danach folgen die Länder Lettland, Syrien und Malaysia. Aus 120 Ländern gebe es gar keine oder nur unvollständige Angaben. In Deutschland waren Ende 2019 laut UNHCR knapp 15.000 Menschen als staatenlos registriert.
Staatenlosigkeit "ist eine extreme Menschenrechtsverletzung", sagte Matthias Reuß vom UNHCR-Regionalbüro für Asien und den Pazifik. Die meisten Staatenlosen hätten nie eine Landesgrenze überquert, deshalb seien die meisten Betroffenen keine Flüchtlinge oder Migranten. Gleichwohl könne Staatenlosigkeit zu Flucht und Vertreibung führen.
Eine der Hauptursachen für Staatenlosigkeit sei ethnische und religiöse Diskriminierung, betonte Reuß. Aktuell seien etwa Angehörige der Rohingya wegen ihres muslimischen Glaubens in einigen Ländern von Staatenlosigkeit betroffen oder bedroht.
Eine weitere wichtige Ursache sei die Diskriminierung von Frauen, die ihre Staatsangehörigkeit nicht an ihre Kinder weitergeben dürften. Der "Atlas der Staatenlosen" führt hier das Beispiel Libanon an. Zudem gebe es etwa in einigen Entwicklungsländern Lücken in der Registrierung von Menschen, was ebenfalls zu Staatenlosigkeit führen könne, so Reuß.
"Staatenlose sind Menschen, die besonders verletzlich sind, weil kein Staat sie schützt und sie keinen Zugang zu grundlegenden Rechten haben", sagte Daniela Trochowski, Geschäftsführerin der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Die Betroffenen "existieren nicht auf dem Papier, erscheinen kaum in Statistiken".
Sie lebten zudem meist am Rande der Gesellschaft ohne Zugang zu grundlegenden staatlichen Leistungen, wie etwa zu medizinischer Versorgung. Zudem hätten sie häufig keinen Zugang zum Arbeitsmarkt, zum Recht auf Bildung oder zum Wahlrecht. Aufgrund ihres Status seien sie oftmals von Inhaftierung oder Abschiebung bedroht, "was für viele ein Leben in ständiger Angst bedeutet", erklärte Trochowski. Die Stiftung, die der Linkspartei nahe steht, plädiert deshalb für das Konzept "globaler sozialer Rechte" für alle Menschen unabhängig von Herkunft Wohnort, Geschlecht, Hausfarbe oder kultureller Prägung.