Bad Boll (epd). Mit Prominenz aus Politik, Kirche und Gesellschaft hat die Evangelische Akademie Bad Boll am Sonntag ihre Gründung vor 75 Jahren gefeiert. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) würdigte den Beitrag kirchlicher Akademien zum gesellschaftlichen Zusammenhalt. "Wir brauchen sie, wahrscheinlich dringender denn je, um in der Kommunikation zusammenzufinden", sagte er.
Schäuble bedauerte eine zunehmende Polarisierung in der Gesellschaft. So werde man insbesondere in sozialen Medien schnell als Nazi und Rassist oder als Gutmensch oder Volksverräter beschimpft. "Wir müssen darum kämpfen, dass der befriedende Kompromiss möglich bleibt", unterstrich der Bundestagspräsident.
Auch der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) bezeichnete die Evangelische Akademie-Arbeit als wichtigen Baustein für den gesellschaftlichen Dialog. "Zivilisierter Streit hält die Gesellschaft zusammen, unzivilisierter treibt sie auseinander", sagte er. Nach dem christlichen Menschenbild sei auch ein Kontrahent Gottes Mitgeschöpf. Kirchliche Akademien halte er deshalb für ein "Labor des gesellschaftlichen Zusammenhalts".
Der Bischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, Frank Otfried July, sagte, dass die Akademie von Anfang an ein "Ort des produktiven Streits" habe sein wollen. Mit Sorge sehe er, dass die gesellschaftlichen Debatten in Deutschland zunehmend unversöhnlicher würden und von einer tiefen gegenseitigen Sprachlosigkeit geprägt sei. Deshalb seien solche Foren wichtiger denn je.
Akademie-Direktor Jörg Hübner äußerte die Befürchtung, die Gesellschaft lebe heute "in Zeiten digitaler Gewalt". Die Akademie verstehe sich als Ort der "Zukunfts-Kunst", wo es eine faire Auseinandersetzung unterschiedlichster Menschen gebe und wo an die Welt Gottes mit ihrer Gerechtigkeit und ihrem Frieden erinnert werde. "75 Jahre Akademiearbeit - das waren und sind 75 Jahre Dienst am demokratischen Gemeinwesen", unterstrich Hübner.
Die Bildungseinrichtung in Bad Boll bei Göppingen gehört zur Evangelischen Landeskirche in Württemberg und ist nach eigenen Angaben die älteste Evangelische Akademie Europas. Im Dreivierteljahrhundert ihrer Arbeit hatte die Einrichtung prominente Gäste, darunter Theodor Heuss, Rudi Dutschke, Richard von Weizsäcker, Erhard Eppler, Theo Zwanziger, Alice Schwarzer und Dorothee Sölle. Ihr Jubiläum hat die Akademie unter das Motto "Im Dialog: Gesellschaft gestalten" gestellt.