Berlin (epd). Nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil über die Rechtmäßigkeit organisierter Hilfe bei der Selbsttötung hat die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben eine gesetzliche Klarstellung gefordert. Vertreter der Organisation, die Sterbehilfe befürwortet, legten am Mittwoch in Berlin einen Gesetzesvorschlag vor. Sie plädieren für eine Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch, die Suizidassistenz nach einem "freiverantwortlichen Entschluss" explizit erlauben will. Bedingung soll vor allem sein, dass ein Arzt die Sterbehilfe leistet. Eine schwere Erkrankung dagegen soll nicht Voraussetzung sein.
Daneben schlägt die Organisation eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes vor, die es Ärzten erlauben würde, das Mittel Natrium-Pentobarbital nicht nur zur Behandlung, sondern auch zum Zweck der Selbsttötung zu verschreiben. Nach Argumentation der Organisation könnte damit das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, das nach Weisung des Gesundheitsministeriums dieses Mittel nicht an Sterbewillige abgeben darf, umgangen werden.
Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar das 2015 verabschiedete Verbot der sogenannten geschäftsmäßigen Suizidassistenz gekippt. Danach stand es unter Strafe, wenn Organisationen oder Ärzte wiederholt Sterbewilligen bei der Selbsttötung halfen. Das Bundesverfassungsgericht dagegen urteilte, es gebe ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben, auch unabhängig von Alter oder Krankheit.
Bei der Suizidassistenz geht es um das Überlassen tödlich wirkender Mittel. Diese Form ist zu unterscheiden von der aktiven Sterbehilfe, bei der ein Dritter ein Mittel selbst verabreicht. Sie ist in Deutschland weiter verboten.
Nicht nur das inzwischen gekippte Gesetz, sondern auch das Standesrecht verbietet derzeit in Deutschland allerdings Ärzten die Mitwirkung am Suizid. Der Vizepräsident der Gesellschaft für Humanes Sterben, Robert Roßbruch, sagte, die von seiner Organisation vorgeschlagene Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch würde sich auch auf das Berufsrecht auswirken. Berufsordnungen könnten nicht etwas anders regeln, als es ein Bundesgesetz vorgibt, sagte er. Unter Juristen ist dieser Punkt allerdings umstritten.
Der Präsident der Organisation, Dieter Birnbacher, bezeichnete das Urteil des Bundesverfassungsgerichts als "historisch". Das Gericht habe Deutschland damit "in einem Schwung an die Spitze der liberalen Gesetzgebungen" katapultiert. Die deutsche Rechtslage gehe jetzt sogar weiter als in der Schweiz, wo die Rechtmäßigkeit der Hilfe beim Suizid an Bedingungen wie eine unheilbare, schwere Krankheit geknüpft ist. Ob sich der Bundestag noch in dieser Wahlperiode mit einem neuen Sterbehilfe-Gesetz befassen wird, ist offen.