Im Falle eines neuerlichen größeren Corona-Ausbruchs müssten Staat und Behörden wesentlich stärker Rücksicht auf die Belange der Bürger nehmen, erklärten die Mitglieder der Initiative in der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" (Montag). Ein allgemeiner "Shutdown" müsse vermieden werden, weil die wirtschaftlichen und sozialen Schäden einfach zu hoch wären.
"Bei allen notwendigen Einschränkungen muss man stärker darauf achten, was man mit drakonischen Maßnahmen auch anrichten kann", sagte der Theologe Stephan Schaede, Direktor der Evangelischen Akademie Loccum: "Es wäre uns jedenfalls nicht damit geholfen, wenn wir die Gesellschaft physisch mumifizieren, und alle versuchen zu überleben, während sozialökonomisch unheimlich viele Menschen und Gruppen auf der Strecke bleiben." Es sei besser, mit Konzepten zur Beteiligung der Betroffenen statt mit strikten Verboten durch die Krise zu kommen.
Auch Ärztekammer-Präsidentin Martina Wenker betonte, die Politik sollte nicht von wenigen Exzessen wie jetzt auf Mallorca auf das Verhalten der gesamten Bevölkerung schließen: "Die meisten gehen nämlich sehr achtsam mit sich und ihren Mitmenschen um." Zudem dürfe es sich nicht wiederholen, dass Deutschland wie zu Beginn der Krise schlecht vorbereitet sei.
Bereits 2012 habe sie mit weiteren Medizinern umfangreiche Pandemie-Pläne entwickelt, etwa zur Beschaffung von ausreichend Schutzkleidung, Beatmungsgeräten und Arzneimitteln, sagte Wenker Die seien dann aber in den Schubladen der Politiker verschwunden: "Auch deshalb haben wir jetzt eine Ethik-Initiative gegründet, denn wir werden auch künftig mit Virenwellen leben müssen."
"Kinder und Jugendliche stärker beachten"
Der Philosoph Jürgen Manemann forderte, Kinder und Jugendliche stärker in die Entscheidungsfindung mit einzubeziehen. "Dafür müssen Räume geschaffen werden, in denen Kinder und junge Erwachsene ihre Stimme erheben können." Zu diesem Thema will die Initiative Anfang September sogenannte "Hearings" anbieten. Darüber hinaus müssten die bestehenden Kinder- und Jugendparlamente gestärkt werden, sagte Manemann. "Hier sollen Kinder und Jugendliche Ideen und kreative Strategien gegen Benachteiligungen entwickeln."
Manemann leitet das Forschungsinstitut für Philosophie in Hannover, eine Einrichtung in Trägerschaft des katholischen Bistums Hildesheim. Zu Mitgliedern der Anfang April gegründeten "Initiative Niedersächsischer Ethikrat" zählen unter anderem auch der evangelische Landesbischof Ralf Meister aus Hannover und der katholische Bischof von Osnabrück, Franz-Josef Bode.