Frankfurt a.M. (epd). Die internationale Gemeinschaft verfehlt in diesem Jahr ihre selbstgesteckten Ziele bei der Bekämpfung von HIV und Aids. Der Ausbruch des Coronavirus habe die Pläne der Weltgemeinschaft durchkreuzt, sagte die Exekutivdirektorin des Hilfsprogramm Unaids, Winifred Byanyima, bei der Eröffnung der ersten virtuellen Welt-Aids-Konferenz am Montag. Ziel war, in diesem Jahr 90 Prozent aller HIV-Infizierten weltweit über ihren Status zu informieren und 90 Prozent von ihnen Zugang zu lebensverlängernden Medikamenten zu ermöglichen.
Gründe für die verfehlten Ziele sind laut Unaids ungleiche Fortschritte vor allem beim Zugang zu Behandlungsmitteln: Während Länder wie Swasiland im südlichen Afrika die Ziele bereits erreicht hätten, stiegen in Osteuropa und Zentralasien die Ansteckungsraten. Die Vereinten Nationen warnten die Regierungen vor einem Nachlassen im Kampf gegen die Immunschwächekrankheit. "Wir dürfen nicht zulassen, dass die Covid19-Pandemie die hart erkämpften Erfolge zunichte macht", sagte der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus.
Im vergangenen Jahr haben laut den jüngsten Unaids-Zahlen vom Montag etwa 12,6 Millionen HIV-Infizierte keine sogenannten antiretroviralen Medikamente erhalten. Die Corona-Pandemie stellt zusätzliche Risiken für die Menschen mit HIV dar, weil Ausgangssperren und andere Einschränkungen zu Lieferengpässen bei der dringend benötigten Medizin führen. In 73 Ländern drohten Medikamente wegen des Covid19-Ausbruchs nicht mehr vorrätig zu sein, teilte die WHO mit.
Experten gehen davon aus, dass sich bei einem Lockdown von sechs Monaten die Todeszahlen in Afrika verdoppeln. Auf dem Kontinent könnten zusätzlich eine halbe Million Menschen an den Folgen von Aids sterben, warnte der Geschäftsführer der Stiftung Weltbevölkerung, Jan Kreutzberg. "Das Thema Corona ist sehr dominant, aber es darf nicht dazu führen, dass wir alle anderen Themen vergessen", sagte er vor Beginn der Welt-Aids-Konferenz.
Weltweit lebten laut Unaids 2019 etwa 38 Millionen Menschen mit dem HI-Virus. Rund 690.000 Menschen starben an den Folgen von Aids, 1,7 Millionen Menschen infizierten sich im vergangenen Jahr neu. Aids ist immer noch eine tödliche Bedrohung. Medikamente, die sogenannten antiretroviralen Mittel, können infizierte Personen zwar nicht heilen, aber die Verbreitung des HI-Virus im Körper eindämmen und teilweise eine Übertragung verhindern.
Bei der Welt-Aids-Konferenz beraten in den kommenden Tagen Experten in mehr als 600 Veranstaltungen über die Immunschwächekrankheit. Wegen der Corona-Pandemie findet die Konferenz nicht wie geplant in den US-Städten San Francisco und Oakland statt, sondern im Internet. Die Welt-Aids-Konferenz findet seit 1985 alle zwei Jahre statt. Das diesjährige Thema ist "Resilienz".