Im Jahr 2019 sieht das deutlich anders aus: Zwar gehört immer noch eine knappe Mehrheit der Deutschen der evangelischen oder katholischen Kirche an, doch sank der Anteil auf rund 52 Prozent. 43,3 Millionen Menschen waren Mitglied einer der beiden Kirchen, wie die am Freitag veröffentlichten statistischen Zahlen der katholischen Deutschen Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zeigen. Bis 2060 könnte sich die Zahl der Kirchenmitglieder in Deutschland einer Prognose von Freiburger Finanzwissenschaftlern aus dem vergangenen Jahr zufolge halbieren.
Der Mitgliederschwund hat sich bislang nicht finanziell ausgewirkt. Im Gegenteil: Im Vergleich zu 2007 ist das Kirchensteueraufkommen sogar gestiegen. 2007 erhielt die EKD Kirchensteuern in Höhe von etwa 4,2 Milliarden Euro. 2018 waren es etwa 5,8 Milliarden Euro. Die Deutsche Bischofskonferenz, der Zusammenschluss aus 27 katholischen Bistümern in Deutschland, erhielt 2007 rund 4,7 Milliarden Euro Kirchensteuer, 2018 waren es 6,7 Milliarden Euro. In der Statistik für das Jahr 2019 machen DBK und EKD keine Angaben zur Höhe der Kirchensteuer.
Seit 2010 sind die Einnahmen aus der Kirchensteuer bei beiden Kirchen kontinuierlich gestiegen. Der Grund dafür liegt laut dem Forschungszentrum Generationenverträge (FZG) der Freiburger Universität zum einen in der bis zur Corona-Krise guten Wirtschaftskonjunktur. Zum anderen befinde sich die Generation der "Babyboomer" derzeit lebensbiografisch in der Phase der höchsten Steuerzahlungen. Absehbar ist jedoch laut den Wissenschaftlern, dass diese Gruppe ab 2035 verrentet sein und der finanzielle Ausfall nicht ausreichend durch die nachfolgenden Generationen ausgeglichen wird. Bis 2060 erwarten die Wissenschaftler, dass sich die Finanzkraft der Kirchensteuereinnahmen in etwa halbiert.
Der positive Trend des letzten Jahrzehnts wird in diesem Jahr unterbrochen. Denn durch die Corona-Krise erwarten die Kirchen erhebliche Einbußen bei den Kirchensteuereinnahmen, die an die Lohn- und Einkommenssteuer gekoppelt sind. Der Verlust könnte nach Schätzung der EKD zwischen zehn und 25 Prozent ausmachen. Zwar können die meisten Landeskirchen diese Verluste durch Rücklagen ausgleichen, doch langfristig müssen die Ausgaben angepasst werden. Schon vor der Corona-Pandemie habe man sich vorgenommen, den Aufwand im EKD-Haushalt real um 30 Prozent bis 2030 anzupassen, sagte der Leiter der EKD-Finanzabteilung Carsten Simmer.