In diesen Tagen treten die ersten Lockerungen nach den Corona-Ausgangsbeschränkungen in Kraft - und vor allem die Tourismusbranche atmet auf. "Die Menschen wollen raus in die Natur, raus aus den eigenen vier Wänden", sagt die evangelische Pfarrerin in Oberstdorf, Daniela Ditz-Sievers. Sie und ihr Mann Roland Sievers sind in dem Allgäuer Kurort für die Gästeseelsorge zuständig. Die Corona-Einschränkungen haben sie genutzt, um ihr Urlaubsseelsorge-Angebot an die Corona-Regelungen anzupassen. Denn die Berggottesdienste zum Beispiel, die unter den Gästen "der absolute Renner" seien, könnten in der bisherigen Form gar nicht stattfinden, sagt das Pfarrersehepaar.
Auch wenn nun im Mai schrittweise wieder Biergärten, Restaurants und Hotels öffnen dürfen - "normal" werde diese Urlaubssaison nicht mehr, sagt Daniela Ditz-Sievers. So müssten strenge Hygiene- und Abstandsregeln eingehalten werden, was zur Folge hat, dass in Hotels nicht alle Zimmer belegt werden dürften und natürlich auch nicht ab Pfingsten Hunderte Besucher zu einem Berggottesdienst kommen könnten. Man überlege daher, ob zum Beispiel der bisherige Ort für die Gottesdienste am Fellhorn so umgestaltet werde, dass maximal 50 Personen Platz finden, oder ob man nicht gleich Einlasskarten ausgebe. "Machbar ist also schon etwas, wir müssen nicht alles ersatzlos streichen."
Das weiß auch der Tourismusreferent der bayerischen evangelischen Landeskirche, Thomas Roßmerkel. Zwar seien Gottesdienste im Freien und Berggottesdienste, zu denen traditionell weit mehr als 50 Besucher kommen oder zu denen man nur per Bergbahn gelangt, für die nächsten Monate abgesagt. Zum Beispiel die Zugspitzgottesdienste jeden Dienstag, die Sonnenaufgangsgottesdienste am Gipfel des Hochgrats oder die Gottesdienste am Rothsee. "Dafür schauen wir uns jetzt nach neuen Orten um - kleine Hügel etwa, auf die man in einer Viertelstunde laufen kann. Und zu denen eben nur ein paar Dutzend Leute kommen würden", sagt Roßmerkel.
Für viele Angebote der Urlaubsseelsorge lassen sich Alternativen finden - doch bei Singveranstaltungen jeglicher Art wird es aktuell schwierig. Chorproben und -konzerte, die sich in der Vergangenheit als Hotspot für die Verbreitung des Coronavirus herausgestellt haben, seien daher bis Juli gestrichen, sagt Daniela Ditz-Sievers. Auch Oliver Gußmann, der in Rothenburg ob der Tauber für die Urlaubsseelsorge zuständig ist, muss umplanen. Kirchenführungen und Chorkonzerte seien auch hier gestrichen, dafür könnte man nun auf den Spuren des Bildhauers Tilmann Riemenschneider (1460-1531) Franken entdecken, überlegt der evangelische Pfarrer.
Rothenburg ist wie leergefegt
"Rothenburg ist wie leergefegt", sagt Gußmann. Ansonsten zähle die 11.000-Einwohner-Stadt mehr als eine halbe Million Übernachtungen im Jahr. Doch nun blieben die Gäste aus aller Welt wegen Corona aus, Gußmann rechnet dafür eher mit Tagesausflüglern aus der näheren Umgebung. Am 17. Mai will Gußmann einen Corona-angepassten Orgelspaziergang zur Jakobs-, der Johannis- und der Heiliggeistkirche anbieten - auch um zu schauen, wer überhaupt kommt. Denn er könne sich vorstellen, dass viele Leute trotz der Lockerungen Angst vor einer Corona-Ansteckungen hätten und nur für das Nötigste vor die Tür gehen. "Eigentlich wissen wir gerade gar nichts", räumt Gußmann ein.
Leichter fällt ein Corona-entsprechendes Angebot beim Thema Pilgern, für das Gußmann als Referent im Gottesdienstinstitut auch zuständig ist. Rothenburg ist ein Knotenpunkt auf dem Jakobsweg. "Ins Grüne zu gehen, erlebt gerade einen beispiellosen Boom, weil es ja das einzige ist, was man so richtig machen kann", sagt Gußmann. So habe er zum offiziellen Start der Pilgersaison an Ostern einen Solo-Pilgergang entworfen, den man sich aus dem Internet herunterladen kann. "Man startet mit einem Segen zuhause, macht sich auf den Weg zu verschiedenen Stationen, wo man innehält, und geht weiter zu einem selbstgewählten Ziel." Über Hygiene- und Abstandsregeln muss man nicht groß nachdenken.
Zeit nachzudenken und kreativ zu werden
Gußmann gewinnt der Corona-Krise auch durchaus Gutes ab. "Dadurch, dass vieles zurückgeschraubt ist, hat man Zeit nachzudenken und kreativ zu werden." Eine Meinung, mit der er nicht alleine dasteht. Auch das Ehepaar Ditz-Sievers in Oberstdorf ist kreativ geworden und hat eine "Ochsentour" für die jetzt ankommenden Gäste entworfen: einen rund sieben Kilometer langen Ortsspaziergang mit GPS-Tracking, an dessen Ende die abgelaufene Route "mit ein wenig Fantasie" ein Kuhgesicht ergibt, erzählt Daniela Ditz-Sievers. Wer kein Smartphone hat, könne die Route dann einfach auf seiner Wanderkarte einzeichnen. Pfarrerin Ditz-Sievers lacht: "Ein niedrigschwelliges Angebot mit viel Liebe gemacht."