TV-Tipp: "Die Heiland - Wir sind Anwalt" (ARD)

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TV-Tipp: "Die Heiland - Wir sind Anwalt" (ARD)
5.5., ARD, 20.15 Uhr
Es ist nicht ungewöhnlich, dass Reihen oder Serien plötzlich mit einem neuen Hauptdarsteller aufwarten. Meist wird der Wechsel nötig, weil ein Schauspieler wegen der fortlaufenden Verpflichtung zu viele andere Projekte absagen müsste und daher ausgestiegen ist. Im Fall der Serie "Die Heiland" ist die Erklärung tragischer Natur.

Titeldarstellerin Lisa Martinek ist im Sommer 2019 bei einem Badeunfall gestorben. Sie hatte die Heldin der im Herbst 2018 ausgestrahlten Serie über eine blinde Berliner Rechtsanwältin derart überzeugend verkörpert, dass sich die Verantwortlichen eine Fortsetzung nach Martineks vermutlich erst mal nicht vorstellen könnten; bis irgendjemand die Idee hatte, Christina Athenstädt vorsprechen zu lassen. Die Schauspielerin ist am ehesten als weibliche Hauptdarstellerin der ARD-Serie "Familie Dr. Kleist" (seit Staffel sieben) bekannt und schlüpft derart nahtlos in die Rolle der Juristin, dass viele Zuschauer den Übergang womöglich gar nicht gemerkt hätten, wenn Martineks Tod im letzten Jahr nicht so viele Schlagzeilen verursacht hätte.

Der reibungslose Übergang hat auch viel mit Pamela Pabst zu tun. Die Strafverteidigerin ist nicht nur das Vorbild für die Serie, sie diente beiden Darstellerinnen auch als "Role Model". Wenn es Parallelen zwischen den Verkörperungen gibt, dann also nicht etwa, weil die sieben Jahre jüngere Athenstädt ihre prominente Kollegin kopiert, sondern weil sich beide bei ihrer Interpretation der Rolle an Pabst orientiert haben. Auch sonst ist alles beim Alten geblieben, die Folgen sind ähnlich wie die Freitagsfilmreihen im "Ersten" ("Die Eifelpraxis", "Praxis mit Meerblick") eine Kombination aus in sich abgeschlossenen beruflichen Herausforderungen und einer horizontal erzählten zwischenmenschlichen Ebene, die sich durch die Staffel zieht. In der Auftaktfolge muss Romy Heiland damit klarkommen, dass ihr Freund Ben (Peter Fieseler, im wirklichen Leben Athenstädts Ehemann) die Beziehung beendet. Das hat nicht zuletzt dramaturgische Gründe, denn die Verteidigerin bekommt es fortan regelmäßig mit einem als hartem Hund verschrienen Staatsanwalt (Aleksandar Jovanovic) zu tun. Eigentlich mag sie seine leicht überhebliche Art gar nicht, zumal er sich offenbar einen Spaß draus macht, sie immer wieder in spitzfindige juristische Wortgefechte zu verwickeln; und dann stehen sich die beiden plötzlich bei einem Tanzkurs als unfreiwillige Partner gegenüber.

Auch für die zweite weibliche Hauptfigur hat sich das Autorenteam rund um Andreas Fuhrmann und Oliver Philipp eine spezielle Herausforderung ausgedacht: Weil Ada (Anna Fischer) auf Urlaub besteht, muss Romy eine Aushilfe suchen. Am liebsten wäre ihr jemand vom Fach, also eine echte Anwaltshilfskraft. Mit der entsprechenden Ausbildung kann Ada nicht dienen. Weil sie prompt um ihren Job fürchtet, bietet Romy ihr an, sie zur Fachangestellten auszubilden, aber auch das ist gar nicht so einfach. Außerdem ist die von Anna Fischer mitunter etwas überspielt verkörperte Ada mit einem Bruder Leichtfuß (Tim Kalkhof) geschlagen, der nicht nur ihr Mitbewohner, sondern auch dem Spielteufel verfallen ist und bei einer vermeintlichen todsicheren Wette ihre Ersparnisse verpulvert.

Die persönliche Ebene sorgt zwar für allerlei Kurzweil und ist mitunter durchaus mal komisch, aber auch nicht weiter aufregend. Die Fälle sind dafür umso interessanter. Die Autoren hatten ganz offensichtlich die Vorgabe, die Beeinträchtigung der Hauptfigur zur Nebensache werden zu lassen und dafür Geschichten zu erzählen, die auch mit einer nichtbehinderten Anwältin funktionieren würden. Zwischendurch sorgen die Drehbücher zwar immer wieder für Situationen, in denen die selbstbewusste Juristin auch mal hilflos ist, weil sie in ihrer Küche barfuß zwischen Scherben oder im nächtlichen Berlin mitten auf der Straße steht, aber ihren eigentliche Reiz bezieht die Serie daraus, dass ausgerechnet die Blinde einen klaren Blick für Zusammenhänge hat: weil sie die Fälle unvoreingenommen angehen kann. In dem letzte Woche ausgestrahlten Auftakt zur zweiten Staffel beauftragte ein verurteilter Todschläger die Anwältin, seinen Fall wiederaufzunehmen. Für Ada sah er aus wie ein Schwerverbrecher; für Romy war er ein Mann, der womöglich zu Unrecht im Gefängnis sitzt. Während die einzelnen Folgen dank Romys trockenem Humor oder Adas "Audiodeskriptionen" immer wieder heitere Momente haben, ist der letzte Akt mit den Verhandlungen vor Gericht regelmäßig nicht nur ernst, sondern auch recht spannend.

Die heutige zweite Folge ist genauso aufgebaut und trägt ebenfalls Züge eines Krimis: Ex- Soldatin Svenja (Lea Marlen Woitack) sitzt seit einem Dienstunfall im Rollstuhl und wird von ihrem ehemaligem Vorgesetzten beschuldigt, ihren mittlerweile pensionierten Diensthund Dexter gestohlen zu haben. Als der Hauptmann den Hund abholen wollte, soll Svenja das Tier auf ihn gehetzt haben. Auch dank der Besetzung mit Michael Rotschopf besteht zunächst kein Zweifel daran, dass der Offizier in dieser Geschichte der Schurke ist; bis sich dank Romys Ermittlungen rausstellt, dass keiner der Beteiligten die Wahrheit sagt.