Christen dürften nicht ähnlich wie Lobbyisten versuchen "Partikularinteressen durchzusetzen", heißt es in einem am Montag veröffentlichen Gastbeitrag von Bischof Feige (Magdeburg) auf dem Internetportal "katholisch.de". Christen sollten vielmehr "solidarisch mit dafür Sorge tragen, die lebensbedrohliche Ansteckungsgefahr durch das Coronavirus einzudämmen und eine medizinische Überforderung unserer Gesellschaft zu verhindern", schrieb Feige. Auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, sprach sich gegen eine vorschnelle Gottesdienst-Öffnung aus.
Am Freitag hatten christliche, jüdische und muslimische Religionsvertreter mit Innenstaatssekretär Markus Kerber in Berlin über Lockerungen des Gottesdienstverbots beraten. Dabei hatte man sich geeinigt, dass die Glaubensgemeinschaften Konzepte vorstellen sollen. Diese sollen dann als Entscheidungsgrundlage für die erneuten Beratungen von Bund und Ländern am 30. April dienen.
Der EKD-Ratsvorsitzende Bedford-Strohm unterstrich am Montag auf seiner Facebook-Seite, dass es sich hier nur um die Möglichkeit handelt, keinesfalls die nun von oben ausgegebene Verpflichtung, solche Gottesdienste in den Kirchen schon jetzt wieder anzubieten. "Ich bin sehr dankbar und glücklich, wie viele kreative Formate vor Ort entwickelt wurden, um kraftvoll Gemeinde zu sein, auch ohne dass wir schon wieder in den Kirchen Gottesdienst feiern können", fügte er hinzu. Jetzt werde der Ausnahmezustand erstmal bleiben. "Für mich bleibt es jedenfalls absolut klar, dass auch und gerade bei den Gottesdiensten das oberste Gebot sein muss, Risiken zu minimieren und damit Leben zu schützen", unterstrich Bedford-Strohm, der auch bayerischer Landesbischof ist.
Ein "Luxusproblem"?
Feige räumte ein, auch ihm liege die Religionsfreiheit am Herzen und es tue ihm weh, immer noch auf öffentliche Gottesdienste verzichten zu müssen. Er frage sich aber, ob die Gottesdienstausfälle angesichts des Leids großer Teile der Bevölkerung nicht fast ein "Luxusproblem" sind. Wenn seitens der Kirchen der Druck auf den Staat erhöht werde, dass baldmöglichst wieder öffentliche Gottesdienste gefeiert werden können, "frage ich mich natürlich, ob das in der den aktuellen gesetzlichen Vorschriften anzupassenden Form tatsächlich den Glauben fördert oder eher zum Krampf wird". Er könne sich "bis jetzt jedenfalls kaum vorstellen, wie Gottesdienste mit Zugangsbegrenzung, Anwesenheitsliste, Abstandswahrung, Mundschutz, Handschuhen, einem Desinfektionsritus vor der Gabenbereitung und der Austeilung der Kommunion mittels einer - noch zu erfindenden - liturgischen Zange gottgefällig und heilsdienlich sein sollen". Feige ist Vorsitzender der Ökumenekommission der katholischen Deutschen Bischofskonferenz.
Rheinland-Pfalz will Gottesdienste ermöglichen
Gottesdienste sollen indes in Rheinland-Pfalz in der Corona-Krise unter strengen Schutzauflagen ab Mai wieder möglich sein. "Die Landesregierung und die Kirchen und Religionsgemeinschaften im Land wollen gemeinsam sehr schnell gute Lösungen für die Gläubigen finden", sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) am Samstag in Mainz nach einer Telefonkonferenz mit den führenden Vertretern der rheinland-pfälzischen Bistümer und Landeskirchen. Kirchen und Religionsgemeinschaften, die überzeugende Schutzkonzepte vorlägen, sollten nach dem 30. April wieder zu Gottesdiensten einladen dürfen. Sie werde in den kommenden Tagen dazu auch Gespräche mit der jüdischen Gemeinschaft und mit dem Runden Tisch Islam führen, sagte Dreyer.
Die Ministerpräsidentin dankte den Kirchen ausdrücklich dafür, dass sie die Corona-Maßnahmen der vergangenen Wochen so entschieden mitgetragen hätten. Es sei beeindruckend gewesen, wie kreativ die Kirchen in der gegenwärtigen Situation das Osterfest gestaltet hätten. Die Eckpunkte über Gottesdienstregelungen sollen in der kommenden Woche mit Bund und Ländern abgestimmt werden.
Bätzing: Bund und Länder sind besonnen
Der Limburger Bischof Georg Bätzing dankte der Ministerpräsidentin laut Mitteilung der Staatskanzlei dafür, dass die Landesregierung den religiösen Belangen der Menschen eine solche Aufmerksamkeit zukommen lasse. Die bisherige Klarheit und Besonnenheit des politischen Handelns im Bund und in den Ländern in der Pandemie sei "stark und gut" gewesen, die ständige Transparenz hilfreich.
Der pfälzische Kirchenpräsident Christian Schad lobte, dass es aufgrund der Initiative der Ministerpräsidentin zu einem konstruktiven Austausch mit den Kirchen über das schrittweise Wiederfeiern von Gottesdiensten gekommen sei. "Dabei hat für uns der verantwortungsvolle Umgang mit Risiken und der Schutz von Gesundheit und Leben auch weiterhin oberste Priorität", sagte er. Bis Mitte kommender Woche würden die Kirchen abgestimmte Schutzkonzepte und Regelungen vorlegen. "Unter diesen Voraussetzungen ab dem 3. Mai unsere Kirchen wieder für Gottesdienste zu öffnen, trägt sowohl den notwendigen Schutzanforderungen Rechnung als auch dem Grundrecht auf freie Religionsausübung", sagte Schad.
"Behutsame Konzepte entwickeln"
Der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann appellierte, behutsam Konzepte zu entwickeln, wie auch das religiöse Leben in Gottesdiensten und Seelsorge Schritt für Schritt wieder stärker öffentlich gestaltet werden könne. Generalvikar Andreas Sturm kündigte an: "Wir werden in der kommenden Woche an einem entsprechenden Schutzkonzept arbeiten und es dann in die Abstimmung bringen." Zudem sollten gemeinsam mit der Trierer Bistumsleitung und dem Katholischen Büro Saarbrücken die Gespräche mit der saarländischen Landesregierung weitergeführt werden.
Die Ministerpräsidentin und die Spitzen der evangelischen Landeskirchen und katholischen Bistümer seien sich darin einig, dass eine schrittweise Wiederzulassung öffentlicher Gottesdienste nach dem 30. April noch keine Rückkehr zu den Verhältnissen vor der Pandemie bedeuten könne, heißt es weiter. Es müsse vor Ort sehr genau geschaut werden, ob die Schutzmaßnahmen tatsächlich eingehalten würden.
An der Telefonkonferenz nahmen auf evangelischer Seite der pfälzische Kirchenpräsident Christian Schad, der rheinische Präses Manfred Rekowski, die stellvertretende hessen-nassauische Kirchenpräsidentin Ulrike Scherf sowie Oberkirchenrat Thomas Posern vom Evangelischen Büro Mainz teil. Teilnehmer auf katholischer Seite waren der Limburger Bischof Georg Bätzing, der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf, der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann, der Trierer Generalvikar Ulrich Graf von Plettenberg sowie Ordinariatsdirektor Dieter Skala vom Katholischen Büro Mainz.