Regensburg, Rom (epd). Die Lage auf dem deutschen Rettungsschiff "Alan Kurdi" mit mehr als 140 Flüchtlingen an Bord spitzt sich offenbar zu. "Die Menschen sind total verzweifelt und werden seit zehn Tagen auf der 'Alan Kurdi' festgehalten", sagte Einsatzleiter Jan Ribbeck von der Regensburger Organisation Sea-Eye, die das Schiff betreibt, am Donnerstag. Die Seenotrettung ist wegen der Corona-Krise extrem erschwert. Die Häfen von Italien und Malta sind geschlossen.
Drei Personen mussten von der "Alan Kurdi" weggebracht werden. Dabei sollen sich dramatische Szenen abgespielt haben, als sich drei Boote der italienischen Küstenwache näherten. "Sie deuteten an, ins Wasser springen zu wollen, um die italienischen Boote zu erreichen und ließen sich kaum beruhigen."
Das vom italienischen Verkehrsministerium angekündigte Quarantäne-Schiff war auch am Donnerstag noch nicht in Sicht. "Wir haben weder aus Berlin, noch aus Rom belastbare Hinweise auf Zeitpunkt und Ort der Evakuierung auf ein Quarantäneschiff erhalten", sagte Sea-Eye-Vorsitzender Gorden Isler dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Wir warten inzwischen seit Ostersonntag auf dieses Schiff."
Auch den etwa 40 weiteren Flüchtlingen auf dem spanischen Rettungsschiff "Aita Mari" wird momentan ein sicherer Hafen verwehrt. "Die gesteigerte Brutalität gegen Flüchtende und die neue Härte gegen Rettungsorganisationen kann nur mit dem Versuch der abschreckenden Wirkung erklärt werden", sagte Isler. "Ein solidarisches Verhalten der EU-Mitgliedsstaaten gegenüber Italien und Malta ist längst überfällig."
Zuvor waren weitere Seenotfälle im Mittelmeer bekanntgeworden. Maltesische Medien und die Internationale Organisation für Migration (IOM) berichteten, dass in maltesischen Gewässern ein Boot mit fünf Toten an Bord gefunden wurde.
Ein Handelsschiff habe die 51 Überlebenden und die Toten aufgenommen und nach Libyen gebracht, nach ihren Angaben wurden sieben weitere Personen vermisst. Die Organisation Alarm Phone vermutete, dass es sich um das Boot handelt, das vor Tagen einen Notruf absetzte und dann vermisst wurde.
Der IOM-Chef in Libyen, Federico Soda, warnte, dass Flüchtlinge und Migranten nach Fluchtversuchen in Internierungslager gesperrt würden. Kriminelle nähmen sie auch in Geiselhaft, um Lösegeld zu erpressen. Die Vereinten Nationen haben wiederholt betont, dass das Bürgerkriegsland Libyen kein sicherer Hafen für Flüchtlinge sei. Zuletzt haben die Kämpfe zwischen Truppen der Regierung von Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch und Einheiten des Rebellengenerals Chalifa Haftar wieder zugenommen. Wegen Corona wurde eine nächtliche Ausgangssperre verhängt.
Auch in Südostasien versuchen Menschen, über das Meer zu fliehen. Die Küstenwache von Bangladesch rettete fast 400 Rohingya-Flüchtlinge aus Seenot, wie die Zeitung "Dhaka Tribune" am Donnerstag berichtete. 28 seien nach Angaben der Überlebenden gestorben. Die erschöpften und ausgemergelten Menschen waren offenbar vor zwei Monaten aus den Camps in Cox's Bazar im Südosten von Bangladesch aufgebrochen, um nach Malaysia zu gelangen, wo sie aber abgewiesen wurden. Die meisten seien Frauen und Kinder.
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