Frankfurt a.M. (epd). Bei der Evakuierung von Flüchtlingen aus griechischen Lagern dringen Hilfsorganisationen und Kirchenvertreter auf mehr Solidarität und Tempo. Nicht erst seit der Corona-Krise litten die Menschen dort unter der katastrophalen Situation, erklärte der Bundesverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge am Donnerstag in Berlin. "Nun droht eine Tragödie, wenn nicht schnell gehandelt wird." Ähnlich äußerten sich "Ärzte ohne Grenzen", der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm und weitere führende Kirchenvertreter.
Eine Aufnahme von 50 Minderjährigen sei völlig unzureichend, betonte der Bundesverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge mit Blick auf die entsprechende Ankündigung der Bundesregierung vom Mittwoch. Nach wochenlangen Verzögerungen soll die Aufnahme von Kindern aus den überfüllten Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln in der nächsten Woche mit 50 Minderjährigen starten. Insgesamt will die Bundesregierung insgesamt 300 bis 500 Flüchtlinge aus den Lagern übernehmen. "Wir können und müssen deutlich mehr tun", forderte der Verband.
"Ärzte ohne Grenzen" unterstrich, die Menschen in den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln seien angesichts der Corona-Pandemie akut gefährdet. Hunderte Menschen, die zu Coronavirus-Hochrisikogruppen zählen, seien in den überfüllten Flüchtlingslagern noch immer in Gefahr, an Covid-19 zu erkranken, sagte Florian Westphal, Geschäftsführer der Organisation in Deutschland. "Daran ändert auch die Ankündigung der Bundesregierung nichts, 50 Kinder aus Moria zu evakuieren - auch wenn wir froh sind, dass nach vier Wochen nun überhaupt etwas geschieht."
Auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bedford-Strohm, forderte eine umgehende Evakuierung der Flüchtlingslager und die Verteilung der Menschen in Europa. "Es ist ein richtiger Schritt, dass jetzt endlich 50 Kinder kommen können. Aber es ist viel zu wenig", sagte er der "Rhein-Neckar-Zeitung" (Donnerstag). "Wenn sich das Coronavirus in dem völlig überfüllten Lager Moria auf der griechischen Insel Lesbos ausbreitet, hätte das dramatische Folgen", betonte der Theologe. Es müsse "Schluss sein damit, die Verantwortung in Europa hin- und herzuschieben".
Mit Blick auf die angekündigte Übernahme von 50 Minderjährigen sprach die westfälische Präses Annette Kurschus von einem Anfang. In Deutschland seien jedoch viele Menschen und Städte bereit, Kinder und Jugendliche aufzunehmen, erklärte stellvertretende EKD-Ratsvorsitzende. Dieses Engagement müsse politisch gewürdigt, weitere rechtliche Möglichkeiten müssten eröffnet werden.
Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, warf Europa fehlende Humanität vor. "Das ist beschämend und eine Folge rechtspopulistischen Gedankenguts in Europa", sagte er der "Passauer Neuen Presse". "Wir müssen zeigen, dass Humanität in Europa keine Dekoration ist, sondern zu seinen Grundpfeilern gehört. Das gilt für alle Europäer." Es sei erschreckend, dass die Regierungen von Polen, Ungarn und Tschechien eine Haltung zeigten, die nicht nur unsolidarisch sei, "sondern jedem christlichen Denken widerspricht", sagte Sternberg.
epd lde/svo jup