"Ein Videogottesdienst funktioniert als Gottesdienst, weil Menschen zugleich auch eine andere Erfahrung von Gottesdienst eintragen", sagte Fechtner. Stünde digitale Kirche für sich alleine, würde etwas Unverzichtbares fehlen. Die Leiblichkeit sei eine Grunddimension des Glaubens, erläuterte der Professor für Praktische Theologie.
Kirche als Leib Christi bestehe zunächst in einer leibhaftigen Zusammenkunft. Sakramente wie Taufe und Abendmahl würden leibhaftig zugeeignet, auch Hilfe für den Nächsten gebe es nicht ohne persönliche Zuwendung. Das Problem der Versammlungsverbote aufgrund der Coronakrise sei nicht nur, dass Menschen den persönlichen Kontakt meiden müssen, sondern auch, dass der Leib als Infektionsherd und damit als negativ und gefährlich gelte.
Aufgrund der Versammlungsverbote sei die Verlagerung der kirchlichen Kommunikation auf die digitale Ebene geboten und alternativlos, bekräftigte der Theologe. Die digitale Kirche ersetze aber nicht die personale Kirche, sie stelle eine "erweiterte Kirche" dar. "Wir feiern Gottesdienste digital in der Hoffnung, dass Gottesdienste in Zukunft wieder leibhaftig gefeiert werden." Wenn es nach der Krise nur noch ausschließlich digitale Formen von Kirche gäbe, wäre das problematisch. Dann würden sich Menschen nicht mehr personal an einem bestimmten Ort als Gemeinschaft erfahren können.
Fechtner äußerte die Hoffnung, dass die Krise zu einem "sekundären Krankheitsgewinn" führt. "Der Digitalisierungsschub wird bleiben." Vor allem könne die Kirche ein klareres Bewusstsein erlangen, was sie durch die Digitalisierung gewinnt, aber auch, welche Kraft in den elementaren, leiblichen Frömmigkeitsformen steckt. Es werde deutlicher, "was uns wesentlich und heilsam ist".