Berlin (epd). Die Bundesregierung wird mit immer mehr Forderungen nach einer Aufnahme von Flüchtlingen aus Griechenland in Deutschland konfrontiert. Am Freitag schloss sich das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) der Forderung an. "In dieser kritischen Situation kann Deutschland vorangehen, eine substanzielle Zahl von Schutzsuchenden aufnehmen und so helfen, Griechenland zu entlasten", erklärte der Leiter der Rechtsabteilung der Berliner Vertretung des UNHCR, Roland Bank. Niedersachsen und sieben Städte erneuerten ihr Angebot für eine Aufnahme unbegleiteter Minderjähriger.
Forderungen kamen auch aus den eigenen Reihen: "Ein neues Schutzprogramm für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge oder chronisch kranke Kinder ist auch aus meiner Sicht nötig", sagte die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler (SPD) der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Freitag).
Kritisch ist aktuell vor allem die Lage auf den griechischen Inseln in der Ostägäis, wo mehr als 40.000 Flüchtlinge unter schwierigen Bedingungen in Lagern leben. Die Grünen beantragten vor diesem Hintergrund, 5.000 besonders schutzbedürftige Menschen nach Deutschland zu holen. Der Antrag wurde am Mittwoch im Bundestag abgelehnt.
Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) und die Oberbürgermeister von sieben Städten boten am Freitag Plätze für 500 unbegleitete Minderjährige an. Nach Angaben des Bundesfamilienministeriums, das am Mittwoch seinen Bericht zur Situation unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge vorgelegt hatte, gibt es in Deutschland Kapazitäten.
Auch der Kinderschutzbund dringt auf eine Aufnahme. Die Zustände im Flüchtlingslager auf der griechischen Insel Lesbos seien "eine Schande für die Europäische Union". Die Bundesregierung blieb am Freitag allerdings bei ihrer Ablehnung einer Aufnahmeinitiative in Deutschland. Seehofer will sich um eine europäische Lösung bemühen. Sprecher von Innen- und Außenministerium bekräftigten zudem erneut, dass es zunächst "geordnete Verhältnisse" an der griechischen Grenze geben müsse. Die Lage in Griechenland wird nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert am Sonntag auch den Koalitionsausschuss beschäftigen.
Deutsche Kommunen und Städte, die bereit sind, mehr Flüchtlinge aufzunehmen, haben sich bereits seit längerem im Bündnis "Seebrücke" zusammengeschlossen. Das Bundesinnenministerium verwehrt ihnen bislang Aufnahmeentscheidungen mit Verweis darauf, dass dies in der Kompetenz des Bundes liege.
An dieser Auffassung wurden am Freitag Zweifel laut. Das "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (RND, Samstag) berichtete unter Berufung auf ein im Auftrag der Grünen erstelltes Rechtsgutachten, dass die Bundesländer dies allein entscheiden könnten. "Sowohl das Grundgesetz als auch das einfache Recht gewähren den deutschen Bundesländern substantiellen Spielraum, Maßnahmen zur Aufnahme von Flüchtenden aus humanitären Notlagen zu ergreifen", zitiert das RND daraus. Ausgangspunkt sei die in der Verfassung verankerte Eigenstaatlichkeit der Bundesländer.
Derweil ging am Freitag auch die Diskussion darüber weiter, ob das Verhalten Griechenlands an der EU-Grenze mit EU-Recht vereinbar ist. Die Behörden versuchen dort, Migranten am Grenzübertritt zu hindern, auch mit dem Einsatz von Tränengas. Asylanträge können derzeit nicht gestellt werden.
Die Bundesregierung stellte sich hinter das Vorgehen Griechenlands. Er gehe davon aus, "dass das alles verhältnismäßig und auch sehr angemessen geschieht", sagte Außenminister Heiko Maas (SPD) am Freitag im Deutschlandfunk. Eine rechtliche Bewertung wolle die Bundesregierung nicht vornehmen, hieß es. "Hüterin der Verträge" sei die EU-Kommission, sagte Regierungssprecher Seibert.
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