Drei Fragen an Notfallseelsorge in München

Portrait von Dietmar Frey von der Notfallseelsorge in München
epd-bild/Dekanat München/Bodmer
Drei Fragen an Dietmar Frey von der Notfallseelsorge in München
Der Schock kommt am Tag danach
Drei Fragen an Notfallseelsorge in München
Die Ökumenische Notfallseelsorge München steht rund um die Uhr für Krisen bereit. Das 17-köpfige Team ist auch nach dem mutmaßlichen Anschlag in München vom Donnerstag mit vielen Verletzten im Einsatz. Diakon Dietmar Frey, Leiter der evangelischen Notfallseelsorge, beschreibt die Aufgaben.

epd: Herr Frey, wie viele Notfallseelsorger wurden nach dem mutmaßlichen Anschlag auf einen ver.di-Demonstrationszug am Donnerstag zum Einsatzort geschickt?

Dietmar Frey: Alarmiert wurden alle Notfallseelsorger und Kräfte der Krisenintervention, das sind in München etwa 40 bis 50 Menschen. Im ersten Ruf hat die Zentrale zehn Personen angefordert, darunter waren zwei oder drei Notfallseelsorger. Dieses erste Team hat sich am Einsatzort in Absprache mit dem Krisenstab aufgeteilt.

Die Verletzten werden ja von den Rettungsdiensten versorgt und in die Krankenhäuser gebracht. Als Notfallseelsorger gehen wir gezielt auf Augenzeugen zu, die das Ganze miterlebt haben. Wir versuchen, mit ihnen ins Gespräch zu kommen, um sie aus der Schockstarre zu lösen. Dabei helfen einfache Zielfragen: Wie geht es Dir? Was hast Du gesehen? Suchst Du jemanden?

Was brauchen die Menschen am meisten?

Frey: Sie brauchen psychosoziale Betreuung und Informationen. Die Menschen müssen wissen, was überhaupt los ist, damit sie die Situation besser bewältigen können. Deshalb geben wir alle Infos rund um das Geschehen weiter, die wir bekommen. Oft kommen auch schon schnell Fragen auf wie: Warum hat es mich nicht erwischt? Wer so etwas miterlebt, versucht sich selbst ins Geschehen einzuordnen, um es in den Griff zu bekommen. Wir begleiten die Menschen dabei.

Nach dem Attentat von Aschaffenburg hat sich gezeigt, dass viele Menschen aus der Stadtgesellschaft kirchliche Angebote genutzt haben. Was können die Kirchen in München anbieten?

Frey: Meiner Erfahrung nach kommt der Schock über so eine Tat am ersten Tag danach voll zum Tragen. Auch Menschen, die nicht dabei waren, sind davon erschüttert und brauchen Hilfe, mit ihrer Betroffenheit umzugehen. Viele suchen den Ort des Geschehens auf.

Deshalb ist es wichtig, dass es dort erkennbare Ansprechpersonen der Notfallseelsorge gibt, und vielleicht auch eine Gedenkveranstaltung in Absprache zwischen Kirchen und Religionsgemeinschaften. Kirchen können in Ausnahmesituationen Halt und Orientierung geben, gerade, wenn die Menschen den Boden unter den Füßen verlieren. Die Betroffenen suchen dann nach Räumen für ihre Trauer und nach Menschen, die sie an die Hand nehmen.