Die Eröffnung von Weihnachtsmärkten vor Totensonntag tut der Gesellschaft nach Einschätzung des Bonner Pfarrers Oliver Ploch nicht gut. Der Vorwurf von Kirche als "Spielverderber" sei oberflächlich. Letztlich sei eine Ausdehnung der Adventszeit "zerstörerisch" für alle, sagte der Pfarrer der Thomas-Kirchengemeinde in Bonn-Bad Godesberg.
Aus kaufmännischer Sicht sei die frühzeitige Eröffnung möglicherweise sinnvoll, sagte Ploch. Man dürfe sich daher nicht vom Handel leiten lassen. Eines Tages wirke sich eine verlängerte Vorweihnachtszeit auch schlecht auf die Wirtschaft auf, ist der evangelische Theologe überzeugt. Bei einigen Menschen herrsche schon jetzt ein "Aggro-Gefühl", wenn im September die Schokoladen-Nikoläuse in den Regalen stehen.
"Alles hat seine Zeit" betonte Ploch und verwies auf eine entsprechende Bibelstelle (Prediger 3, 1-8). "Wenn ich etwas immer habe, verliere ich die Freude daran." Begrenzte Zeiträume gäben den Menschen Ordnung und auch Abwechslung. Wenn zum Beispiel ständig Karneval wäre, hätten die Menschen irgendwann keine Lust mehr darauf. Wer permanent Geburtstag feiern würde, hätte früher oder später keine Gäste mehr, nannte Ploch als weiteres Beispiel. Er beobachte, dass die frühen Weihnachtsmarktöffnungen in den vergangenen Jahren häufiger geworden sind.
Laut einer Studie des Deutschen Schaustellerbunds von Ende Dezember 2018 steigt die Zahl der Weihnachtsmärkte in Deutschland. Etwa 3000 private und öffentliche Weihnachtsmärkte gibt es demnach in Deutschland. 2012 waren es noch 2500. Der Schaustellerbund zählte in seiner Studie 159,7 Millionen Weihnachtsmarktbesuche und nannte einen Umsatz von 2,88 Milliarden Euro auf Weihnachtsmärkten.
Die Vorweihnachtszeit zu verlängern, möge zwar auf den ersten Blick verlockend sein, lasse aber die gewohnten Rhythmen verschwimmen, sagte ein Sprecher der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) dem epd und ergänzte: "Es tut gut, mit abgegrenzten Zeiten, die unser Leben gliedern, zu leben."
Tage der Besinnung einhalten
Der Schutz des Totensonntags hat aus der Sicht von Oliver Ploch auch etwas mit Rücksicht auf andere zu tun. Auch wenn einem selbst nach Feiern zumute sei, würden andere vielleicht lieber trauern wollen. Es sei schwer, eine individualisierte und säkularisierte Gesellschaft davon zu überzeugen, sagte Ploch. Viele wollten sich nichts vorschreiben lassen. Als Beispiel nannte er das Tanzverbot an Karfreitag. Auch darüber gibt es immer wieder Diskussionen, ob ein solches Verbot noch zeitgemäß sei.
Trauer habe heutzutage ohnehin kaum noch Platz, sagte Ploch. Da sollten die wenigen Tage der Besinnung wenigstens eingehalten werden. Der Totensonntag ist ein stiller Feiertag, das heißt, er ist durch die Feiertagsgesetzgebung der Bundesländer besonders geschützt. An dem Gedenktag sollen Menschen Trost finden, wenn im vergangenen Jahr der Verlust eines Angehörigen oder eine Trennung zu beklagen war.