Beim ersten gemeinsamen Auftrag folgen die beiden Zielfahnder vom LKA in Düsseldorf einem Ehepaar in die uruguayische Hauptstadt Montevideo: Vor neun Jahren haben Gisela und Uwe Tezlof (Heike Makatsch, Jörg Hartmann) einen Industriellen entführt. Die beiden sind zwar geschnappt worden, aber die zehn Millionen Euro Lösegeld sind nie wieder aufgetaucht.
Offenbar besteht das berufliche Dasein von Zielfahndern ähnlich wie der Alltag von Privatdetektiven vor allem aus Warten und Observieren; das legt die Handlung zumindest nahe. Der plakative Titel "Blutiger Tango" weckt ohnehin völlig falsche Erwartungen, denn der Film ist über weite Strecken schlicht langweilig; gerade das erste Drittel besteht größtenteils aus immer wieder gleichen Szenen. Landauer und Röwer haben keine Ahnung, wo sich die Tezloffs aufhalten, aber sie wissen, dass sich Gisela für Tango begeistert; also klappern sie Abend für Abend die entsprechenden Lokalitäten ab, von denen es in Montevideo eine ganze Menge geben dürfte. Regisseur Stephan Lacant füllt die Sendezeit daher zunächst vor allem mit Tanzen, was für Tangofreunde sicherlich schön, für Krimifans jedoch eher ernüchternd ist. Als das Duo die Frau tatsächlich ausfindig gemacht hat, folgt die Phase der Observierung; jetzt sitzen die beiden ganz viel im Auto. Selbst wenn Landauer ihrem Partner erklärt, Geduld heiße, dem Glück eine Chance zu geben: Filmisch ist das exakt so öde, wie es klingt, und es wird auch nur geringfügig spannender, als sich zeigt, dass die Beobachter ihrerseits beobachtet werden. Leben kommt in die Handlung, als Röwer unfreiwillig Initiative übernehmen muss: Gisela Tezloff fordert ihn erst zum Tanz auf und nimmt ihn dann mit in ein Stundenhotel. Sex und Koks stehen zwar nicht im Zielfahnderhandbuch, aber immerhin kann er nun eine Ortungs-App auf dem Smartphone der Frau platzieren; und jetzt geht der Film erst richtig los, denn kurz drauf wird Gisela entführt, und es stellt sich raus, dass eine dritte Partei ständig auf dem Laufenden war.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Stephan Lacant hat mit Koffler bereits sein gutes Regiedebüt "Freier Fall" (2013) gedreht, ein Film über einen verheirateten Polizisten, der sich in einen Kollegen verliebt; später folgte "Toter Winkel" (2017), ein vorzüglich gespieltes Drama mit Herbert Knaup als Familienvater, der rausfindet, dass sein Sohn (ebenfalls Koffler) ein Neonazi ist. Auch Lacants weitere Filme waren sehenswert. Seine zweite Regiearbeit war das Selbstfindungsdrama "Fremde Tochter" mit Elisa Schlott als 17-Jährige, die sich in einen Moslem verliebt, "Für meine Tochter" (2018) ein Drama mit Dietmar Bär als verwitweter Vater, der ins syrische Kriegsgebiet reist, um seine Tochter zurückzuholen. Gemessen an der Qualität dieser Filme ist "Blutiger Tango" mindestens eine Klasse schlechter; erst recht, wenn der Krimi als Thriller gedacht war.
Immerhin befindet sich Lacant in prominenter Gesellschaft: Schon Grafs Auftakt "Flucht in die Karpaten" war nur eine Stunde lang ein fesselnder Polizeifilm, dann verlor sich die Handlung in rumänischen Hochzeitsriten. Am Ende ließ sich die Inszenierung mit ihren Anleihen beim Italo-Western kaum noch ernst nehmen. Das zumindest ist bei "Blutiger Tango" ganz anders, das Finale ist ziemlich fesselnd. Der Film profitiert ohnehin davon, dass nun Uwe Tezlof ins Zentrum rückt. Gehörte der zweite Akt Heike Makatsch, darf nun auch Jörg Hartmann endlich mitspielen, aber die Szenen einer längst entfremdeten Ehe lassen die Geschichte zwischendurch ein bisschen zum Beziehungsdrama werden. Kurz vorm Finale gibt’s immerhin eine flott inszenierte Verfolgungsjagd, und zum Schluss wird’s richtig dramatisch.
Anders als der mit zwei Stunden zudem viel zu lange Auftakt von Graf dauert "Blutiger Tango" immerhin nur knapp neunzig Minuten. Außerdem ist die Musik (Dürbeck & Dohmen) mit ihrer Mischung aus Elektronik und typischen Tangoklängen recht reizvoll. Ein akustisches Manko stellt dagegen die wichtige Rolle von Landauers ehemaligem Partner und Exfreund dar: Der Mann Rossmann wird vom argentinischen Schauspieler Javier Drolas verkörpert. Der ist zwar ein interessanter Typ, musste aber synchronisiert werden, und das hört man. Die Einheimischen in Uruguay dürfen dagegen spanisch sprechen, Landauer übersetzt für ihren Partner (und die Zuschauer); in dieser Hinsicht hebt sich der Krimi wohltuend von den sonstigen Auslandsproduktionen der ARD-Tochter Degeto ab, denn ganz gleich, wo die Filme spielen: Die Einheimischen sprechen stets perfekt Deutsch.