Sich in einer Kirche bestatten zu lassen, war in Europa einst nur hohen Würdenträgern vorbehalten. Beim Volk der Ga in Ghana, die an der Küste rund um die Stadt Accra leben, ist dies hingegen für jeden möglich. Allerdings wird der Verstorbene dabei in keiner richtigen Kirche beerdigt, immerhin aber in einem Holzsarg in Form einer solchen. Wer mag, kann sich auch in einem buchförmigen Sarg betten lassen, auf dem ein Kreuz und die Aufschrift "Holy Bible" (Heilige Bibel") prangt. Zu sehen sind solche ungewöhnlichen im Kasseler Sepulkralmuseum, das sich der Bestattungskultur widmet.
Im Dezember vergangenen Jahres habe man überraschend eine Schenkung von 28 dieser in Ghana gefertigten Särge bekommen, erläutert Gerold Eppler, stellvertretender Museumsleiter und Mitkurator der Ausstellung. "Eigentlich hatten wir unser Ausstellungsprogramm für 2019 schon geplant, doch die zahlreichen positiven Reaktionen auf unserer facebook-Seite zu dieser Schenkung haben uns dann umdenken lassen", sagt er.
Etablierte Kirche mag nur christliche Motive
Neben den schon erwähnten "christlichen" Särgen gibt es (fast) jede erdenkliche Sargform: vom Lkw über ein Flugzeug, eine Chilischote, eine Henne bis hin zum Sportschuh. "Damit wird darauf hingewiesen, womit der Verstorbene seinen Lebensunterhalt verdient hat", sagt Mitkuratorin Ulrike Neurath.
Obwohl die meisten Ga Christen seien, habe sich der Ahnenkult noch vielfach erhalten. So würden aufwendige Begräbnisfeiern mit oft mehreren hundert Gästen organisiert, um den Verstorbenen günstig zu stimmen. Dieser habe nämlich im Ahnenreich durchaus die Möglichkeit, im Diesseits noch ein Wörtchen mitzureden. Eine prunkvolle Feier sei da auf jeden Fall kein Fehler.
Die etablierte Kirche in Ghana allerdings lasse es nicht zu, dass die bunten Särge in ihre Räume hineinkämen, sagt Neurath. Nur explizit "christlichen" Särgen, also etwa in Form einer Bibel oder einer Kirche, werde Einlass gewährt. In den anderen Fällen führe der Pfarrer die Zeremonien im Haus des Verstorbenen und auf dem Friedhof aus.
Üppige Feierlichkeiten an der Küste
Die Tradition der bunten Särge ist noch nicht mal ein Jahrhundert alt, erklärt Neurath. Befördert habe sie der Kolonialismus und die Mission, die die Bestattung in klassischen Holzsärgen einführte. "Vor 100 Jahren hat die Bestattung in Särgen gar keine Rolle hier gespielt, die Verstorbenen wurden einfach im Boden des Hauses begraben", erläutert sie. Nach Einführung der Sargpflicht habe aber bald ein Wandel von der Kistenform zum figürlichen Sarg eingesetzt.
Je höher der gesellschaftliche Rang eines Verstorbenen ist, desto größer fällt in der Regel auch das Fest aus. "Manchmal werden die Verstorbenen auch eingefroren und erst viel später beerdigt, wenn alle potenziellen Gäste benachrichtigt sind", sagt Eppler. "Begräbniskosten von 15.000 bis 20.000 Euro sind keine Seltenheit". Viele Angehörige würden sich daher jahrelang verschulden.
Allerdings gebe es diese Form der Beerdigungen auch nur an der vergleichsweise wohlhabenden Küstengegend. Sterbe zudem ein Kind oder ein Jugendlicher, finde eine Besetzung nur im Familienkreis ohne große Feier statt.
Künstlerische Inspiration
Fast ein wenig unter geht bei der Ausstellung eine kleine Schau des Künstlers Martin Wenzel, die zeitgleich im Museum gezeigt wird. Wenzel hat sich in Ghana von der Kunst der Sargmacher zu eigenen Werken inspirieren lassen und stellt einen Sarg in Form einer Kehrmaschine aus. Und Urnen in der Form eines Haarföns oder eines Tampons.
Auf deutschen Friedhöfen wären solch ungewöhnliche Särge in einem begrenzten Rahmen auch möglich, sagt Eppler. Eine Form sei zwar nicht vorgeschrieben, Probleme könne es aber beim Grabaushub oder beim Transport geben. Da die Friedhöfe derzeit unter einem enormen wirtschaftlichen Druck ständen, sei es vorstellbar, dass solch ungewöhnliche Särge auch hier demnächst Einzug hielten.