Knapp zwei Drittel der Schüler an Einrichtungen der Evangelischen Schulstiftung in Berlin und Brandenburg wünschen sich mehr Präsenz der Themen Liebe, Sexualität und Vielfalt im Unterricht. Das ist das Ergebnis einer Studie der Evangelischen Schulstiftung in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) und der Boston Consulting Group (BCG). Befragt wurden dafür 472 Schüler und Schülerinnen des Schulträgers in Berlin und Brandenburg in den Jahrgangsstufen sieben bis 13. Als wichtigste Themen seien dabei HIV, Mobbing und sexuelle Gewalt genannt worden.
Die Studie mit dem Titel "Bunt. Lieben. Leben." entstand im Rahmen der "Diversity"-Strategie, die der evangelische Schulträger derzeit für seine 32 Schulen in Berlin und Brandenburg entwickelt. Befragt wurden etwa gleich viel Mädchen und Jungen an insgesamt drei Schulen in Berlin-Mitte, in Berlin-Neukölln und im brandenburgischen Neuruppin. Laut der Studie haben mehr als drei Viertel (78 Prozent) der Befragten im Biologieunterricht zum Thema Sexualität vor allem Körperwissen behandelt. Sieben Prozent gaben an, dass sie sich im Unterricht noch gar nicht mit dem Thema Sexualität auseinandergesetzt haben.
Ein offenes Umfeld schaffen
Der Vorstandsvorsitzende der Evangelischen Schulstiftung, Frank Olie, erklärte, Schülerinnen und Schüler würden in den Einrichtungen des Trägers "zum freien Denken und engagierten Handeln" ermutigt. Sie sollten ihre Verantwortung für die Gestaltung der Gesellschaft wahrnehmen. Dazu zähle auch der Umgang mit sexueller Vielfalt und der eigenen Gender-Identität. "Unsere Diversity-Strategie startet darum nicht mit Lehrplänen, sondern fragt zuerst, was die Schüler*innen brauchen", erklärte Olie.
"Die Themen Liebe, Sexualität und Gender-Identität sind in Schulen immer noch mit vielen Vorurteilen belegt", sagte Rainer Gronen, Co-Studienautor und Leiter der Weiterbildungsabteilung der Schulstiftung. Lehrer wüssten oft nur wenig über die Probleme und Wünsche ihrer Schüler. Annika Zawadzki von BCG und Mitautorin der Studie betonte, Schulen sollten "ein offenes und unterstützendes Umfeld für den Umgang mit Vielfalt, Sexualität und Gender-Identität" schaffen. Sie legten den Grundstein dafür, dass junge Menschen unabhängig von der eigenen sexuellen Orientierung gestärkt ins Leben starten.
Regeln gegen Diskriminierung
Laut Studie wollen acht von zehn befragten Schülern die eigene Sexualität nicht im Unterricht thematisieren. Stattdessen wünschten sie aber mehr Präsenz der Themen Liebe, Sexualität und Vielfalt im geschützten Raum der Schule. Als Beispiel wurde etwa ein "Diversity"-Tag an der Schule mit Workshops und Vorträgen genannt. Dabei gab es leichte Unterschiede zwischen Schülern, die angaben, heterosexuell zu sein (79 Prozent), und solchen, die sich als homo-, bi- oder asexuell identifizierten (zwölf Prozent).
91 Prozent der nicht-heterosexuellen und 88 Prozent der heterosexuellen Schüler gaben zudem an, dass sie sich konkrete Regeln wünschen, die vor Diskriminierung im Schulalltag schützen. Schüler, die angaben, nicht heterosexuell zu sein, suchten den Angaben zufolge bei den Themen Liebe und Sexualität stärker den Kontakt zu Vertrauenslehrern (22 Prozent) und Erziehern (18 Prozent) als heterosexuelle Schüler. Bei diesen waren es nur zehn und drei Prozent.
Auch bei der Wahrnehmung der Offenheit der Schulen bezüglich sexueller Orientierung zeigen sich Gegensätze: Während 84 Prozent der heterosexuellen Schüler die Schule als offenen Raum betrachten, sind es bei den nicht-heterosexuellen Befragten nur 65 Prozent.