Kirchenmusiker kehren der Musikmesse den Rücken

Immer weniger Kirchenmusiker pilgern zu Europas grüsstem Branchentreff, der Musikmesse in Frankfurt am Main.
© epd-bild/Thomas Rohnke
Der Inhaber der Firma UHT, Sebastian Luck, führt auf der Musikmesse in Frankfurt am Main, einen Spieltisch vor.
Kirchenmusiker kehren der Musikmesse den Rücken
Harte Konkurrenz durch Internethandel und billige Anbieter aus Fernost: Die Musikmesse in Frankfurt am Main leidet seit einigen Jahren unter Aussteller- und Besucherschwund. Auch immer weniger Kirchenmusiker pilgern zu Europas größtem Branchentreff.
04.04.2019
epd
Von Alexander Lang

Seit 30 Jahren ist der Kirchenmusiker Hans Joachim Brehm regelmäßig auf der Musikmesse in Frankfurt zu finden. Doch diesmal ist seine Stimmung getrübt, als er durch die riesigen Ausstellungshallen von Europas größter Messe für Musikalienhändler und Musiker schlendert: "Früher konnte man hochwertige Instrumente ausprobieren, Kollegen zum Austausch treffen. Jetzt aber ist fast nichts mehr los." Und sein Steckenpferd, die Kirchenmusik, komme fast überhaupt nicht mehr vor, bemängelt der ehrenamtliche Organist einer evangelischen Kirchengemeinde aus dem Wetteraukreis.

Zahl der Aussteller ist rückläufig

Schon immer fristete die Kirchenmusik auf dem viertägigen internationalen Branchentreff ein Nischendasein. Nur einige Orgelbauer und Notenverlage, die auch Sakralmusik im Angebot haben, sind dort vertreten. Zudem schwächelt die Musikmesse, die in diesem Jahr bis zum 5. April dauert, insgesamt schon seit Jahren. Die Zahl der Aussteller ist rückläufig, etwas mehr als 1.600 aus 56 Ländern sind es in diesem Jahr - 20 weniger als im Vorjahr. Mehr als 90.000 Fachbesucher machten sich 2018 auf zur Messe, 2017 waren es noch 100.000. Viele große und prominente Hersteller bleiben ihr fern. Das Internetgeschäft und die billigere Konkurrenz aus Asien haben auch den Musikalienmarkt schwer unter Druck gesetzt. Und für viele Kirchenmusiker scheint die Musikmesse ohnehin kaum interessant zu sein, schätzt der Verband Evangelischer Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker in Deutschland mit Sitz in Nürnberg.

Das Testen eines Spieltischs für Kirchenorgeln der Firma Sonorgan ist auf der Musikmesse in Frankfurt am Main möglich.

"Die Messe ist ganz schön zusammengeschrumpft", sagt Bernhard Carolus aus Heidelberg. Wie sein hessischer Kollege Brehm hat er jahrzehntelang gerne die große Produktschau in Frankfurt besucht. Doch jetzt lohne sich für ihn als Kirchenmusiker kaum mehr die Anreise. Viele Aussteller fehlten, spannende Neuerungen gebe es kaum, kritisiert Carolus, der in einer katholischen Kirche in Heidelberg ehrenamtlich die Orgel spielt. Zahlreiche Kirchenmusiker informierten sich inzwischen lieber direkt bei den Produktanbietern im Internet oder auf Haus- und speziellen Fachmessen.

Das kann Peter Michner, Chef der Orgelbaufirma "Sonorgan" aus dem saarländischen St. Wendel, nur bestätigen. Mit seinen Spieltischen mit elektronischer Klangerzeugung ist der 67-Jährige nach längerer Pause wieder mit einem kleinen Messestand in Frankfurt vertreten. "Die Kosten sind für viele Aussteller zu hoch", sagt er. Auf der Messe sei er trotzdem, um seine neuen Produkte zu präsentieren und um "den ein oder anderen Kunden zu gewinnen". Auf dem kleinen Markt der digitalen Kirchenorgeln sieht Michner mit Handarbeit und hochwertigen Materialien für sich ein Potenzial: Viele Kirchengemeinden könnten sich neue Pfeifenorgeln nicht mehr leisten oder müssten ihre alten teuer sanieren. Für sie könnten deshalb seine günstigeren Instrumente eine Alternative sein, sagt er.  Auch Sebastian Luck von der Firma UHT aus dem thüringischen Sömmerda-Orlishausen hofft, dass er mit seinem Angebot an Holztasten für elektronische Sakralorgeln und Spieltische für Orgeln punkten kann.

Das Jahr 2019 wird nach Einschätzung vieler Aussteller ein Schlüsseljahr für die Zukunft der Musikmesse sein, die immer mehr an Boden gegenüber Messen in China und den USA verliere, sagt Corinne Votteler. Auch "aus Verbundenheit und um Gesicht zu zeigen" sei man dort vertreten, erklärt die Verkaufsleiterin des Verlags Bärenreiter aus Kassel.

Stefan Küchler, Kantor aus Mörfelden-Walldorf, spart sich die Anreise, auch wenn es nicht weit ist. Im Internet fänden sich auch Auszüge aus Notenmaterial, erklärt der Vorsitzende des Landesverbands evangelischer Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker in Hessen-Nassau: "Dafür reist man nicht nach Frankfurt."