"Dass uns anvertraute Menschen - in engeren oder weiteren kirchlichen Bezügen - Opfer von sexualisierter Gewalt geworden sind, macht mich fassungslos und sehr traurig", sagte Bischof Thomas Adomeit auf dem Allgemeinen Pfarrkonvent der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg am Mittwoch in der Evangelischen Kirche Bloherfelde. Kirche sei Teil der Gesellschaft, insofern sei das nicht verwunderlich und doch zu tiefst erschreckend." Laut Adomeit müsse Kirche sich "fragen lassen und selbst fragen, inwiefern am Ende sogar unsere kirchlichen Strukturen sexualisierte Gewalt begünstigt haben. Und wir müssen uns fragen, inwieweit auf Grund unserer Strukturen sich Opfer nicht getraut haben oder sich nicht trauen, von ihren Erlebnissen zu berichten."
Bischof Thomas Adomeit: Null-Toleranz-Politik bei sexualisierter Gewalt
Adomeit verwies darauf, dass die oldenburgische Kirche eine Null-Toleranz-Politik im Umgehen mit aktueller oder vergangener sexualisierter Gewalt verfolge. "Das heißt, wenn Vorkommnisse bekannt werden, werden wir dem nachgehen. Wenn Menschen sich nicht trauen, darüber zu sprechen, werden wir sie ermutigen. Wenn es disziplinarische Maßnahmen zu ergreifen gilt, wird das geschehen. Als Kirche leben wir nur durch Menschen, Menschen, die der Gemeinschaft, der Kirche vertrauen. Dieses höchste Gut ist hoch gefährdet, wenn wir die Aufarbeitung der Vergangenheit, die Betrachtung unserer gegenwärtigen Situation und die Prävention und Schutzkonzepte für die Zukunft nicht angehen", so Adomeit.
Gleichzeitig verwies der oldenburgische Bischof darauf, dass es in den Bereichen evangelischer Kindergärten, Jugendarbeit und Kirchenmusik mit Blick auf das Kindeswohl bereits Konzepte und Schulungen zur Sensibilisierung und Prävention gebe, für den Bereich Kirchengemeinden und Pfarrerschaft sei dies in Arbeit. Auch Leitlinien für die regionalen Studien würden in diesem Jahr erstellt, kündigte Adomeit an. "Die Opfer warten auf die Antworten ihrer Kirche, sofern sie noch von ihrer Kirche reden können."
"Eine Kirche, die sexualisierter Gewalt nicht wehrt, ist keine Kirche mehr", sagte Kirsten Fehrs, Bischöfin im Sprengel Hamburg und Lübeck. Bischöfin Fehrs, die auch Sprecherin des "Beauftragtenrats der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zum Schutz vor sexualisierter Gewalt" ist, nahm auf dem Pfarrkonvent Stellung zu den Beschlüssen der EKD-Synode vom November 2018.
Das Kirchenparlament der EKD hatte auf seiner Tagung in Würzburg beschlossen, die Maßnahmen zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt in der EKD auszuweiten und einstimmig einem Elf-Punkte-Handlungsplan zugestimmt, der unter anderem eine Studie über das Dunkelfeld sowie eine unabhängige zentrale Ansprechstelle vorsieht. "Aufarbeitung heißt, sich auch emotional der Schuld zu stellen, als Institution, die in systematisch bedingter Blindheit Tätern und Täterinnen zugespielt und Opfer nicht geschützt hat", sagte Bischöfin Kirsten Fehrs. Fehrs verwies auf Machtstrukturen, die falsch verstandene Reformpädagogik ab den 1970er Jahren sowie eine unscharfe Trennung von dienstlichen und privaten Verhältnissen. Die Folgen für Betroffene von sexualisierter Gewalt seien oft lebenslänglich quälend. Der Verlust des Glaubens gehöre dabei oft zu "den grausamsten Folgen".
Der Pfarrkonvent ist eine interne Informations- und Fortbildungsveranstaltung für alle Pfarrerinnen und Pfarrer, der auf Einladung des Bischofs der oldenburgischen Kirche zweimal im Jahr zusammenkommt.