Nach Angaben des UN-Flüchtlingswerks UNHCR sind im vergangenen Jahr 2.262 Flüchtlinge bei der Fahrt über das Mittelmeer ums Leben gekommen oder gelten als vermisst. "Auf hoher See lässt die EU nicht nur die Flüchtlinge alleine, sondern auch die Seeleute, die Gefahr laufen, der Schlepperei bezichtigt zu werden, wenn sie retten", kritisierte Schildhauer. Nötig seien eindeutige Regelungen zur Rettung schiffbrüchiger Geflüchteter, die nach internationalem Recht vorgeschrieben seien und "die dann auch überall gelten müssen".
Die Fluchtrouten haben sich Schildhauer zufolge aufgrund der Politik etwa der populistischen Regierung in Italien ins westliche Mittelmeer verlagert. Zuvor seien Italien und Griechenland die Hauptankunftsländer gewesen. Jetzt nähmen Flüchtende von Tunesien, Algerien und Marokko aus auf wackeligen und überfüllten Booten Kurs auf Spanien, weil das Land momentan die liberalste Flüchtlingspolitik habe.
Das bedeute aber auch, dass Seeleute auf diesen Routen wieder öfter auf Holzplanken von untergegangenen Schlepperschiffen sowie auf Kleider, Taschen und Rucksäcke von Geflüchteten träfen, sagte der Seelsorger. "In Tunesien werden vermehrt wieder Schuhe am Strand gefunden."
Reedereien reagierten auf die Situation und wiesen die Schiffsbesatzungen häufig an, die Fahrtroute zu ändern, um die Begegnung mit Geflüchteten zu vermeiden. Für sie koste jede Unterbrechung Geld. Deutsche Reeder handelten anders und investierten viel Geld für Material, um Geflüchteten an Bord helfen zu können.
Allerdings seien Handelsschiffe mit ihren haushohen Bordwänden schlecht für Rettungsaktionen geeignet. Wenn dort jemand beim Hochklettern von einer Strickleiter ins Wasser falle und nicht schwimmen könne, müsse der Seemann oben sehen, wie jemand unten vor seinen Augen ertrinke. "Das sind Bilder, die man niemals vergisst." Seeleute mit solchen Erfahrungen hätten eine Last auf der Seele, die ihnen genommen werden müsse.