"Es geht um Transparenz und darum, Vertrauen zurückzugewinnen bei den Menschen, die unseren Einrichtungen ihre Kinder oder Angehörigen anvertrauen", sagte Lilie dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das betreffe alle diakonischen Handlungsfelder und Einrichtungen, erläuterte er am Rande der Synodentagung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Würzburg.
Am Dienstag wird das protestantische Kirchenparlament über den Umgang mit sexualisierter Gewalt an Kindern, Jugendlichen und Schutzbefohlenen beraten. Am Sonntag hatte die Präses der Synode, Irmgard Schwaetzer, bereits angekündigt, dass die EKD zwei unabhängige Studien zu dem Thema in Auftrag geben will. Schwaetzer erklärte, eine der geplanten Studien solle Erkenntnisse über das Dunkelfeld beim Thema Missbrauch bringen. Eine andere soll Risikofaktoren für Missbrauch in der Kirche aufzeigen, um daraus Konsequenzen ziehen zu können. Details sollen am Dienstag besprochen werden.
Aufarbeitung permanent fortsetzen
Bisher sind der EKD knapp 480 Fälle von sexuellem Missbrauch seit 1950 bekannt. Viele Übergriffe ereigneten sich den Ergebnissen einer Umfrage in den 20 Landeskirchen zufolge bereits zwischen den Jahren 1950 und 1970. Zahlreiche dieser Missbrauchsfälle seien bereits am Runden Tisch "Heimerziehung in den 50er und 60er Jahren", der 2009 und 2010 auf Initiative des Bundestags getagt hatte, sowie innerhalb der Einrichtungen aufgearbeitet worden.
Bislang sei man davon ausgegangen, dass zwischen 60 und 70 Prozent - also mehr als zwei Drittel der Fälle - diakonische Einrichtungen beträfen, sagte Lilie: "Ich halte das für realistisch." Notwendig sei aber auch, die Zeit nach den 70er Jahren zu untersuchen und die Aufarbeitung permanent fortzusetzen.
Die Missbrauchsstudie der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, die im September veröffentlicht wurde, gebe nun abermals Anlass, sich mit Strukturen und Machtmissbrauch zu beschäftigen, sagte der Präsident der Diakonie Deutschland. Wichtig sei, flächendeckend Maßnahmen zum Schutz und zur Prävention einzuführen. "Als Leitfaden zur Prävention haben wir ein Schutzkonzept zur Vermeidung von sexualisierter Gewalt erarbeitet", sagte Lilie. Ein Bundesrahmenhandbuch sei mit Experten aus Wissenschaft und Praxis erstellt worden.
Lilie nannte das Vier-Augen-Prinzip bei der Betreuung, fachliche und organisatorische Standards, Supervision und unabhängige Ansprechpartner für Betroffene. Es sei aber auch wichtig, eine angemessene Balance zu finden zwischen der Anhörung und den Rechten der Opfer und dem Schutz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. "Wir können nicht alle Mitarbeitende in unseren Einrichtungen unter Generalverdacht stellen", sagte Lilie.