"Wir dürfen das Problem nicht kleinreden, auch wenn es in der Bundesrepublik seit Jahrzehnten einen hartnäckigen und aggressiven Antisemitismus gibt", sagte Kaddor (40) dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland" (Freitag). "Viele Einwanderer kommen aus Ländern, in denen Antisemitismus, kaschiert als angebliche Israelkritik, eine Art Staatsräson ist", erläuterte sie: "Die treffen bei uns auf die zweite oder dritte Generation früherer Einwanderer mit einer eher diffusen Judenfeindlichkeit."
Kaddor ist Gründungsvorsitzende des Liberal-Islamischen Bunds, der seit 2010 besteht. Sie appellierte an die Schulen, sich noch stärker als bislang mit Rassismus, Intoleranz und Antisemitismus auseinanderzusetzen. "Der Nahost-Konflikt macht Debatten im Klassenzimmer, gerade dort, wo mindestens die Hälfte der Schüler einen muslimischen Hintergrund hat, sehr schwer", sagte die muslimische Publizistin. "Lehrer, die das nicht im Blick haben, machen die Erfahrung, dass sie am Ende die Dummen sind."
Viele Lehrer wüssten häufig zu wenig über den Konflikt und machten den Fehler, Juden und Israel gleichzusetzen, ergänzte die Islamwissenschaftlerin. "Aber man kann nicht alle Juden außerhalb und innerhalb Israels für die Politik einer Regierung verantwortlich machen."
Kaddor forderte zudem, im Unterricht mehr über die jüdische Geschichte als nur den Holocaust zu behandeln. "Kinder und Jugendliche erfahren alles über die Vernichtungsgeschichte und nahezu nichts über jüdisches Leben oder über religiöse Überschneidungen." Das sei aber wichtig, um die eigenen Werte an denen anderer Kulturen oder Religionen abgleichen zu können."