Neonazi-Angriffe wie vor kurzem in Chemnitz entstünden "nicht aus dem Nichts", erklärte der Soziologe Klaus Holz am Freitagabend bei der Eröffnung der Jahrestagung der Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus in Nürnberg.
Er sehe einen systematischen Zusammenhang zum Satz des Bundesinnenministers Horst Seehofer (CSU) von der "Mutter aller Probleme", sagte Hotz. Der Innenminister legitimiere Gewalt unter anderem, indem er sich hinter Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen stelle, der wiederum rechte Gewalt relativiere. "Nur wegen dieser ideologischen Zusammenhänge haben wir große Probleme mit Rechtspopulisten und Neonazis", erklärte der Soziologe.
So belegten Studien, dass rassistisches oder antiislamisches Denken konstant bei 40 bis 70 Prozent der Bevölkerung vorhanden sei. Am deutlichsten sichtbar sei der Zusammenhang zwischen Rechtsextremismus und Denkmustern der bürgerlichen Bevölkerung beim Antifeminismus, erklärte Holz. Der Feminismus werde dabei als radikale Ideologie verschrien, während alte Geschlechterbilder wieder hervorgeholt würden. Diese könne man in Schulbüchern oder in der Wochenzeitung "Zeit" finden, in zugespitzter Form bei der Identitären Bewegung, die den "Schutz der Töchter" propagiere.
Die Präsidentin der bayerischen evangelischen Landessynode, Annekathrin Preidel, rief in ihrem Grußwort dazu auf, Erinnerungskultur auf den Prüfstand zu stellen. Man müsse sich fragen, ob Institutionen und Rituale staatlicher und kirchlicher Erinnerung stark genug seien, "um die Feinde der offenen Gesellschaft und die Opfer der totalitären Gesellschaft wirklich zu erreichen", sagte Preidel laut Redemanuskript. Sie warnte vor einer Blauäugigkeit, die den Sieg der Demokratie für selbstverständlich halte.
Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick versicherte, ein Forum gegen Rechtsextremismus sei den Bischöfen der Freisinger Bischofskonferenz wichtig. Um sich gegen Rechtsextremismus zu behaupten, sei ein Bildungssystem nötig, in dem es nicht um "Verwertungswissen", sondern zum Wertewissen gehe, erklärte Schick.
Zum Thema "Menschenrechte verteidigen - Nächstenliebe leben" trafen sich in Nürnberg am Wochenende rund 80 Teilnehmer vorwiegend aus den Kirchen, um über Strategien gegen Rechtsextremismus zu beraten. Zum Abschluss am Mahnmal für die Opfer der NSU-Terrorgruppe wurde unter anderen der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, erwartet.