Nach der Präsentation der Studie zu sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche haben weitere Bischöfe Reformwillen demonstriert. Der Vorsitzende der Jugendkommission der Deutschen Bischofskonferenz, Stefan Oster, erklärte am Mittwoch in Fulda, die katholische Kirche müssen beim Thema Sexualität "sprachfähiger" werden und einen Kulturwandel herbeiführen. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, wird am Donnerstag zum Abschluss der Herbst-Vollversammlung in Fulda die Ergebnisse der Bischofsberatungen zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs mitteilen.
Marx hatte am Dienstag als Konsequenz aus den Ergebnissen angekündigt, bei der weiteren Aufarbeitung werde die Perspektive der Opfer stärker im Zentrum stehen. Zudem sollten das bisherige Anerkennungsverfahren für Entschädigungszahlungen und auch die Höhe der Entschädigungen überprüft werden. Zudem signalisierte Marx Bereitschaft, bei der weiteren Aufarbeitung mit staatlichen Stellen zu kooperieren. Darüber würden die Bischöfe aber beraten.
Auch andere Bischöfe hatten am Dienstag bereits für Reformen plädiert. "Offensichtlich haben nicht nur Einzelne versagt, sondern die kirchlichen Rahmenbedingungen dies sogar begünstigt", sagte der Magdeburger Bischof Gerhard Feige. Strukturen in der Kirche müssten überprüft und infrage gestellt werden, forderte der Berliner Erzbischof Heiner Koch. Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf erklärte, bestimmte Auffassungen der kirchlichen Morallehre verhinderten einen offenen Umgang mit Sexualität.
Der Passauer Bischof Oster sagte, die für Oktober anberaumte Bischofssynode in Rom zum Thema "Die Jugendlichen, der Glaube und die Berufungsentscheidung" sei eine gute Gelegenheit, mit jungen Menschen offen und "mit unserer eigenen Fehlbarkeit" zum Thema Sexualität und Missbrauch ins Gespräch zu kommen. Weihbischof Johannes Wübbe aus Osnabrück unterstrich, das Thema könne bei dem Treffen nicht außen vor bleiben. "Wir können nicht so tun, als gäbe es das nicht", sagte er.
Kardinal Woelki: "Keine Mittäterschaft durch Wegsehen"
Zuvor hatte der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki in seinem Morgen-Gottesdienst die Bischöfe zu einem fünfminütiges Schweigegebet eingeladen, um "in uns gehen zu können und unsere Reue und unseren Vorsatz im demütigen Gebet vor Gott und vor das ganze Volk Gottes tragen zu können", wie er zum Auftakt erklärte. Woelki unterstrich, er schäme sich für das, was durch die katholische Kirche geschehen sei. "Ich will nicht zum Mittäter werden durch Wegsehen, Vertuschen und Bagatellisieren", sagte er. Die Kirche müsse die Betroffenen um Vergebung bitten "und ihnen überzeugend versprechen, alles zu tun, damit das nicht wieder vorkommt".
Unterdessen verwies der Papst auf eine veränderte Einstellung im Umgang mit sexuellem Missbrauch. "In den alten Zeiten wurden diese Dinge verschleiert", sagte er am Dienstagabend auf dem Rückflug von Tallinn, der letzten Etappe seiner Baltikumreise. Der Bericht über Missbrauch durch Priester im US-Staat Pennsylvania habe gezeigt, dass die Zahl der Fälle zurückgegangen sei, als die Kirche das Phänomen auf andere Art als bisher bekämpft habe. Die Missbrauchsskandale dürften nicht mit heutigen Maßstäben gemessen werden. Sie seien aus der Zeit heraus zu verstehen, in der sie sich ereignet haben, sagte der Papst.
In Deutschland ergab die wissenschaftlichen Auswertung von Zigtausend Handakten aus den Archiven der katholischen Bistümer, dass zwischen 1946 und 2014 insgesamt 3.677 Minderjährige Opfer sexuellen Missbrauchs wurden. 1.670 Kleriker sind der Taten beschuldigt. Zudem attestierten die Autoren der katholischen Kirche "spezifische Strukturmerkmale", die den Missbrauch begünstigt hätten.