Zwar könnten die deutschen Verbrechen aus der Zeit von 1904 bis 1908 nicht ungeschehen gemacht werden. Aber Deutschland und Namibia müssten Wege finden, um daran gemeinsam zu erinnern. Bei der Aufarbeitung des "kollektiven Traumas" seien zudem Sensibilität und Empathie nötig.
Müntefering äußerte sich anlässlich der in dieser Woche geplanten Rückgabe von menschlichen Gebeinen von Opfern der deutschen Kolonialzeit nach Namibia. Dazu sind am Mittwoch ein Gedenkgottesdienst und eine Übergabezeremonie geplant. Ein offizieller Staatsakt mit der namibischen Regierung ist für Freitag in Windhuk vorgesehen. Daran werden auch Müntefering und weitere Vertreter Deutschlands teilnehmen. Es handelt sich den Angaben zufolge um die erste Rückgabe dieser Art mit staatlichen Vertretern aus Deutschland.
Bei der offiziellen Übergabe sollen 27 menschliche Überreste, die während der Kolonialzeit zu Unrecht nach Deutschland gelangt waren, an Namibia zurückgegeben werden. Darunter befinden sich 19 Schädel und eine Kopfhaut, die bislang in verschiedenen anthropologischen Sammlungen in Berlin, Greifswald, Ennigerloh, Witzenhausen, Jena, Hannover und Hamburg lagerten.
Die namibische Kulturministerin Katrina Hanse-Himarwa betonte, dass die geplante Rückgabe Teil des Versöhnungsprozesses zwischen Deutschland und Namibia sei. Sie würdigte auch die Rolle der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die angeboten habe, diese Rückgabe mit einem würdigen Rahmen zu unterstützen. Sie schätze zudem, dass es erstmals zu einer Übergabe mit staatlicher Beteiligung komme.
Zuvor hatte es Kritik am Vorgehen der Bundesregierung und der EKD gegeben, die den Gedenkgottesdienst aus Anlass der Übergabe ausrichtet. Unter anderen kritisierte die Initiative "Völkermord verjährt nicht!", dass heutige Vertreter der ursprünglichen Herkunftsgesellschaften nicht zu dem Gedenkgottesdienst und dem Übergabeakt eingeladen wurden.
Die namibische Kulturministerin betonte unterdessen, dass 70 Vertreter Namibias zu den Veranstaltungen eingeladen seien. Diese würde auch die traditionellen Stämme vertreten. Zudem seien das Parlament und die Regierung Namibias demokratisch gewählt und würden somit auch die Herero und Nama vertreten, sagte Hanse-Himarwa.
Der Berliner Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) sowie zivilgesellschaftliche Organisationen hatten zuvor von der Bundesregierung eine offizielle Entschuldigung für die deutschen Kolonialverbrechen gefordert. Dem Völkermord Anfang des 20. Jahrhunderts seien bis zu 70.000 Herero und Nama zum Opfer gefallen, sagte Behrendt am Montag in Berlin. "Es ist an der Stunde, das Verbrechen als solches anzuerkennen und dafür Verantwortung zu übernehmen", fügte er hinzu.
Auch die Vorsitzende der "Ovaherero Genocide Foundation" in Namibia, Esther Utjiua Muinjangue, forderte eine offizielle Entschuldigung der Bundesregierung für die Gräueltaten während der deutschen Kolonialzeit in Deutsch-Südwestafrika. Der Menschenrechtsanwalt Wolfgang Kaleck betonte zudem, es sei beschämend, dass es in Namibia bis heute keinen Gedenkort gebe, der an die deutschen Kolonialverbrechen erinnere.