Der türkischstämmige deutsche Profi von Arsenal London hatte am Sonntag vor einer Woche seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft erklärt. Er war wegen eines Fotos mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan vor der Weltmeisterschaft in die Kritik geraten. Seinen Rückzug aus der Nationalelf begründete er unter anderem mit rassistische Angriffen gegen ihn. Repräsentanten des Deutschen Fußball-Bundes warf er vor, ihn nicht hundertprozentig als Teil der deutschen Nationalelf gesehen zu haben.
Karliczek sagte dem "Tagesspiegel" (Sonntag), es müsse dringend eine gründliche Debatte darüber geführt werden, "wie wir miteinander leben wollen und was einem toleranten Umgang im Weg steht". Am Rassismus-Vorwurf von Özil und der heftigen Kritik daran zeige sich, dass "jetzt etwas aufbricht, was schon viel länger unter der Decke brodelt, auf beiden Seiten". Auch ihre eigene Partei, die CDU, habe "lange unterschätzt, wie wichtig es ist, über Werte, Regeln und Strukturen von Integration zu sprechen, damit die hier Lebenden und die zu uns Kommenden gut miteinander auskommen und eine Gemeinschaft werden können."
Maas sagte der "Bild"-Zeitung vom Montag, leider zeige die Debatte nach dem Rückzug Özils, "welchen bitteren Anfeindungen Migranten bei uns noch immer ausgesetzt sind". Dass sich Menschen mit Migrationshintergrund bedroht fühlen, dürfe nicht zugelassen werden, betonte der Minister: "Wir müssen gemeinsam sehr entschlossen für Vielfalt und Toleranz eintreten." Die Zahl der fremdenfeindlichen und antisemitischen Übergriffe sei bedrückend hoch.
Kipping beklagt zunehmende Unmenschlichkeit
FDP-Chef Lindner erklärte: "Ja, es gibt Probleme mit Rassismus im Alltag." Wenn gut ausgebildete Menschen seltener zu Bewerbungsgesprächen eingeladen werden, nur weil ihre Eltern oder Großeltern vor Jahrzehnten aus der Türkei gekommen sind, sei dies Diskriminierung, sagte Lindner der "Bild am Sonntag". Der Fall Özil habe damit aber nichts zu tun. Hier sei es um Kritik an einem Spieler gegangen, "der Werbung für den Schöpfer einer Präsidialdiktatur in der Türkei gemacht hat".
Man höre zu oft, dass Teile der deutsch-türkischen Community freiheitliche Werte nur gering schätzten, führte Lindner aus. "Es gibt also ein doppeltes Problem - bei den Einheimischen und bei Zugewanderten", sagte der Parteivorsitzende.
Laut Linken-Chefin Katja Kipping ist über Özil nach seinem Rücktritt "ein rassistischer Shitstorm" hereingebrochen. Es habe Kommentare im Netz gegeben, die "ganz klar darauf abstellten, dass Özil nicht rein deutsch, sondern deutsch-türkisch ist", sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag).
Kipping beklagte eine zunehmende Unmenschlichkeit in Deutschland. Zwar sei nicht das ganze Land rassistisch. Doch habe es in den vergangenen Jahren "eine Rechtsverschiebung" gegeben. Was als sagbar und machbar gelte, sei "immer mehr ins Unmenschliche verschoben worden".
Mehrheit der Deutschen sieht Zunahme von Rassismus
Die Mehrheit der Deutschen findet, dass der Rassismus in den letzten zehn Jahren zugenommen hat. Das hat eine Emnid-Umfrage im Auftrag der "Bild am Sonntag" ergeben. Demnach sind 57 Prozent der Auffassung, dass es eher mehr Rassismus gibt als früher. Nach Meinung von 29 Prozent der Befragten ist der Rassismus in den letzten zehn Jahren gleich geblieben. Von einer Abnahme gehen nur acht Prozent aus.
Eine knappe Mehrheit der Bürger hält Deutschland bei der Integration von Zuwanderern für erfolgreich, wie die "Bild am Sonntag" weiter berichtet. Zwar sagten nur vier Prozent, dass Deutschland sehr erfolgreich sei, 48 Prozent gehen aber davon aus, dass Deutschland eher erfolgreich bei der Integration ist. Für eher erfolglos halten die Integration 35 Prozent und für völlig erfolglos acht Prozent der Befragten.