Das hänge mit der Identifikation mit den Opfern zusammen, erläuterte Pfeiffer. So sei bei den vorwiegend türkischstämmigen Opfern des NSU anfangs gemutmaßt worden, ob sie vielleicht in kriminelle Machenschaften verwickelt gewesen seien und zu ihrem Tod selbst beigetragen hätten. Bei einem Anschlag der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) dagegen würden die Getöteten als "unschuldige Deutsche" wahrgenommen. "Da ist die emotionale Betroffenheit höher."
Im NSU-Prozess will das Oberlandesgericht München am Mittwoch sein Urteil verkünden. Der Mordserie der Terrorgruppe fielen zwischen den Jahren 2000 und 2007 vermutlich neun Menschen mit Migrationshintergrund und eine Polizistin zum Opfer. Vor Gericht müssen sich seit Anfang Mai 2013 Beate Zschäpe sowie weitere mutmaßliche Helfer und Unterstützer des NSU verantworten.
Bei den NSU-Morden habe die Polizei lange gebraucht, um das rechtsextremistische Motiv hinter den Taten zu erkennen, sagte Pfeiffer, der von 2000 bis 2003 für die SPD niedersächsischer Justizminister war. Hinzu komme, dass der Verfassungsschutz die Polizei bei ihren Ermittlungen zu wenig unterstützt habe. "Es fehlten konzertierte Bemühungen." Die anfängliche Blindheit von Polizei und Verfassungsschutz sei eine der Hauptursachen für die mangelnde Aufmerksamkeit an der Mordserie gewesen.
Ab dem Augenblick jedoch, in dem die Polizei die Morde als Terror anerkannt habe, habe es in der Bewertung keine Unterscheidung mehr zu anderen Terror-Attentaten gegeben. Pfeiffer lobte den professionellen und sensiblen Umgang des Gerichts mit den Hinterbliebenen der Opfer während des NSU-Prozesses. Er sei voller Respekt für den Richter, der den Prozess geleitet habe, sagte der Kriminologe. "Das war ein gewaltiges Stück Arbeit."