Papst Franziskus hat der internationalen Gemeinschaft bei einem ökumenischen Gebetstreffen für Frieden im Nahen Osten Tatenlosigkeit vorgeworfen. In der Region herrschten "von Schweigen und Komplizenschaft so vieler begleitet Krieg, Gewalt, Zerstörung, Besetzungen, Fundamentalismus und Zwangsmigrationen", sagte er am Samstag bei der Begegnung mit Spitzenvertretern der Ostkirchen im süditalienischen Bari. Der Nahe Osten sei zu einer Region geworden, deren Bewohner flüchteten. "Gleichgültigkeit tötet", warnte er bei dem Friedenstreffen für die Krisenregion. Die Kirchen wollten ihre Stimme gegen die "mörderische Gleichgültigkeit" erheben.
Franziskus machte Armut, ungezügeltes Machtstreben, religiösen Fundamentalismus, Ausbeutung von Rohstoffen und ein ungezügeltes Wettrüsten vor allem der Weltmächte für die anhaltenden Konflikte in der Region verantwortlich. Die Lehren aus Hiroshima und Nagasaki müssten verhindern, dass der Nahe Osten sich in "dunkle Wüsten der Stille" verwandle. Es müsse Schluss sein mit einer Profitgier, die im Streben nach Gas- und Ölvorkommen dafür sorge, dass der Energiemarkt das Gesetz des Zusammenlebens der Völker diktiert", mahnte der Papst nach zweistündigen Beratungen hinter verschlossenen Türen mit den anderen Kirchenführern.
Franziskus forderte die internationale Gemeinschaft zudem zu mehr Anstrengungen im Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern auf. Es sei unerlässlich, den in UN-Beschlüssen geregelten Status Jerusalems zu bewahren, betonte er vor dem Hintergrund der Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem. Als Zeichen des Friedens ließen der Papst und die anderen Kirchenführer anschießend gemeinsam Tauben in den Himmel aufsteigen.
An dem Treffen in Bari nahm neben dem Ehrenoberhaupt der Orthodoxen, der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomäus I., auch der Vertreter der russischen Orthodoxie für Außenbeziehungen, Metropolit Hilarion, teil. Vertreter orthodoxer und katholischer Ostkirchen der Region kamen ebenso wie der Koptenpapst Tawadros II. auf Einladung des Papstes nach Bari, das Franziskus wegen der dort verwahrten Reliquien des Heiligen Nikolaus als Verbindungstor zum Nahen Osten bezeichnete. Die Reliquien des von Ost- und Westkirchen verehrten Heiligen waren im 11. Jahrhundert von italienischen Kaufleuten aus Myra in der heutigen Türkei geraubt und nach Bari überführt worden. Rückgabeforderungen der Türkei lehnt die katholische Kirche ab.
Gemeinsam wollten sie für den Frieden beten, den die Mächtigen der Welt noch nicht geschaffen hätten, sagte der Papst beim anschließenden Treffen mit Kirchenvertretern und Gläubigen, zu dem Zehntausende Menschen an die Uferpromenade kamen. Patriarch Bartholomäus äußerte dabei die Hoffnung, dass die Herzen derjenigen, die Krieg wollten, zum Guten verleitet würden. Der Moskauer Patriarch Kyrill, der Metropolit Hilarion nach Bari geschickt hatte, unterstützte zuletzt an Ostern den russischen Militäreinsatz in Syrien. Seit dem Beginn des Krieges vor sieben Jahren flohen kirchlichen Schätzungen zufolge knapp die Hälfte der 2,2 Millionen Christen aus Syrien.