Deutschland und rund 15 weitere EU-Länder haben am Sonntag auf einem Sondergipfel in Brüssel einen neuen Versuch für gemeinsame Linien in der Asylpolitik gestartet. Dabei sollte es nach den Worten von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nicht nur um gesamteuropäische Lösungen, sondern auch um Verabredungen zwischen je zwei oder drei Ländern gehen. "Für die Frage, können wir in den nächsten Tagen auch noch bi- und trilaterale Absprachen und mehr Gemeinsames finden, ist dieses Treffen heute sehr, sehr wichtig", sagte Merkel bei ihrer Ankunft in der belgischen Hauptstadt.
Diskutiert werden solle der Schutz der europäischen Außengrenzen ebenso wie die Asylpolitik innerhalb Europas, sagte Merkel. Dies geschehe zum einen mit Blick auf den regulären EU-Gipfel, der offiziell Europäischer Rat heißt, am Donnerstag und Freitag. Die Kanzlerin stellte aber fest, "dass wir auf dem Europäischen Rat leider noch keine Gesamtlösung des Migrationsproblems bekommen werden". Daher gehe es zum anderen auch um "bi- oder trilaterale Absprachen zum gegenseitigen Nutzen". Die Arbeit werde in den nächsten Tagen weitergehen, es handele sich um einen ersten Austausch, erklärte Merkel.
Informelles Arbeitstreffen
Das Treffen am Sonntag war von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker einberufen und als "informelles Arbeitstreffen" vor dem Gipfel Ende kommender Woche angekündigt worden, der sich ebenfalls mit den Themen Asyl und Migration befasst. Neben Deutschland sollten laut Kommission rund 15 Länder teilnehmen. Unter anderem kamen Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Griechenlands Premierminister Alexis Tsipras und Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz.
Das Sondertreffen fand vor dem Hintergrund des unionsinternen Streits in Deutschland statt. CSU-Chef und Innenminister Horst Seehofer dringt auf die Zurückweisung von Flüchtlingen an der deutschen Grenze. Merkel will dagegen einen nationalen Alleingang vermeiden und setzt daher auf eine europäische Lösung.
Ringen um gemeinsame Linie
Zugleich ringen die 28 EU-Regierungen seit Jahren um eine gemeinsame Linie in der Flüchtlingspolitik. Einig sind sich viele Länder darin, dass an Europas Grenzen und in Entwicklungsländern mehr getan werden muss, um Menschen von einer Reise nach Europa abzuhalten. Strittiger ist, was mit den Flüchtlingen geschieht, die doch in die EU kommen. Seit zwei Jahren diskutieren die Regierungen über eine Reform der Dublin-Verordnung, die die Verteilung der Asylbewerber regelt. Sie soll die Verantwortung für Flüchtlinge gerechter verteilen und zugleich verhindern, dass diese unkontrolliert in andere EU-Länder weiterreisen.
Merkel sprach in Brüssel beides an. Es gehe um den "Außengrenzenschutz und die Frage, wie können wir illegale Migration nach Europa reduzieren". Zweitens werde es um die sogenannte Sekundärmigration gehen: "Das heißt, wie gehen wir fair und ehrlich miteinander um innerhalb der Binnengrenzen der Europäischen Union."
Großes Thema Außengrenzschutz
Mit einseitigem Schwerpunkt äußerte sich dagegen Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz. Österreich, das am 1. Juli den EU-Ratsvorsitz übernimmt, fährt in der Flüchtlingspolitik eine restriktivere Linie. "Die große Chance" liege darin, "sich auf die Gemeinsamkeiten zu fokussieren", sagte Kurz in Brüssel. "Und das ist meiner Meinung nach der Außengrenzenschutz", erklärte er.
Vor dem Treffen hatten das evangelische Hilfswerk "Brot für die Welt" und die Diakonie Deutschland von der EU eine Rückbesinnung auf europäische Werte gefordert. "Es ist ein Bruch mit den menschenrechtlichen Verpflichtungen, unsolidarisch und bedenklich kurzsichtig, dass einige EU-Regierungen sich weigern, überhaupt noch Schutzsuchende aufzunehmen", kritisierte die Präsidentin von "Brot für die Welt", Cornelia Füllkrug-Weitzel, am Sonntag in Berlin.