In der Debatte um religiöses Mobbing an Schulen durch muslimische Kinder warnen Religionsvertreter und Sozialwissenschaftler vor einer Verharmlosung der Vorfälle und fordern eine klare Haltung von Politik und Bildungsverwaltung. Auslöser ist der Fall einer Berliner Grundschülerin, die von einem Mitschüler bedroht wurde, weil sie nicht an Allah glaubt.
Mobbing aus religiösen Gründen nehme zu, sagte Imam Taha Sabri von der Neuköllner Begegnungsstätte Dar-as-Salam-Moschee der "Berliner Zeitung" (Donnerstag). Er selbst habe immer wieder mit ähnlichen Fällen zu tun, wo muslimische Kinder ihr Gegenüber in "Schubladen 'wie guter Muslim, böser Ungläubiger' sortieren".
Der Berliner Rabbiner Yehuda Teichtal bestätigte diesen Eindruck. Er sei vor 22 Jahren aus New York nach Deutschland gekommen, sagte Teichtal der "Berliner Morgenpost" (Donnerstag). "Noch nie musste ich besorgte Familien so oft beraten wie in den vergangenen Monaten." Durchschnittlich mindestens einmal die Woche würden Eltern ihm von derartigen Vorkommnissen berichten. Dabei gehe es um Pöbeleien, Beschimpfungen und Beleidigungen bis hin zu ernsten Bedrohungen, sagte der Vorsitzende des streng orthodox ausgerichteten Jüdischen Bildungszentrums Chabad Lubawitsch.
Die von ihm beobachtete Zunahme von Antisemitismus und religiösem Mobbing hängt für Teichtal auch mit der Flüchtlingsthematik zusammen. Einige von ihnen seien in ihren Heimatländern mit Hass auf die Juden und Israel groß geworden, sagte der Rabbiner.
Der Bielefelder Konfliktforscher Andreas Zick sprach von der "Spitze des Eisberges". Er beobachte in Deutschland einen weit verbreiteten Antisemitismus, der für jüdische Kinder zur Wirklichkeit gehöre, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). Einer eigenen Studie zufolge hätten von 1.000 jüdischen Mitbürgern 70 Prozent Antisemitismus in der Schule oder am Arbeitsplatz erlebt, sagte Zick dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Nach Einschätzung des Wissenschaftlers muss die Prävention gegen Diskriminierung an Schulen verstärkt werden. Bei menschenverachtenden Hasstaten in der Schule reichten eine Schulkonferenz oder ein Schulverweis nicht aus. Hier müsse man an die Wurzeln gehen. Nötig sei auch ein Zugang zu den Milieus.
Die Direktorin des American Jewish Committee (AJC) in Berlin, Deidre Berger, forderte im "Tagesspiegel" (Donnerstag) eine klare Haltung muslimischer Verbände und ein "beherztes Eingreifen gegen religiösen Hass und Antisemitismus an unseren Schulen". Daher brauche es mehr Angebote für Lehrer, Anlaufstellen, die dazu informieren, wie mit dem Thema umzugehen ist, und eine Stärkung der Schülerschaft, die sich anders verhält.
Gemeinsam Rabbiner und Imame an Schulen zu schicken, wie es der Zentralrat der Muslime vorgeschlagen hatte, impliziere, dass es einen Konflikt zwischen Juden und Muslime gibt, sagte Berger. Dies sei aber eine falsche Annahme: "Es gibt Antisemitismus und religiösen Hass, der sich einseitig gegen Juden richtet und immer mehr auch gegen jene, die nicht in das Weltbild radikaler Jugendlicher passen: junge Frauen, Homosexuelle oder säkulare Muslime."
"Menschen, die antisemitisch dumm daherreden, müssen zur Rede gestellt werden"
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, forderte am Donnerstag im Fernsehsender Phoenix ein entschiedenes Eintreten gegen Antisemitismus im Alltag. Menschen, die antisemitisch auftreten und "manchmal einfach dumm daherreden", müssten zur Rede gestellt werden. Es müsse ganz klar sein, dass gerade in Deutschland "nie wieder Antisemitismus salonfähig sein darf", sagte der bayerische Landesbischof.
Unterdessen traf sich die Berliner Bildungs- und Schulverwaltung laut Medienberichten mit den Eltern des betroffenen Mädchens. Vereinbart worden sei unter anderem, eine Schulkonferenz mit externen Fachleuten zu diesem Thema einzuberufen.