Union und SPD haben bei ihren Koalitionsverhandlungen eine Einigung im Streit über den Familiennachzug bei Flüchtlingen mit untergeordnetem Schutz gefunden. Am Dienstag gaben Vertreter von CDU, CSU und SPD den Kompromiss bekannt. Danach sollen die Familienzusammenführungen bis Ende Juli ausgesetzt bleiben und danach monatlich 1.000 enge Angehörige von in Deutschland lebenden Flüchtlingen mit subsidiärem Schutz aufgenommen werden.
Zusätzlich sollen auch weiter Härtefälle berücksichtigt werden. Die bisherige Regelung für "dringende humanitäre Fälle" soll demnach weiter gelten. Weil sie in der Vergangenheit aber nur in wenigen Fällen zur Anwendung kam, äußerten sich Sozialverbände und Organisationen enttäuscht über das Ergebnis der Verhandlungen.
Flüchtlinge mit sogenanntem subsidiären Schutz können seit März 2016 ihre Angehörigen nicht nach Deutschland nachholen wie andere Flüchtlinge. Betroffen sind vor allem Syrer. Im März läuft die Aussetzung des Familiennachzugs aus. Die Neuregelung, auf die sich Union und SPD geeinigt haben, soll bis Ende Juli inkraft treten und ab August gelten. Bis dahin soll es eine Übergangslösung mit einer erneuten Aussetzung des Nachzugs geben. Bereits am Donnerstag wird darüber der Bundestag abstimmen.
Organisationen und Verbände enttäuscht von Kompromiss
Der Familiennachzug war einer von drei Kernpunkten, für die der SPD-Sonderparteitag am 21. Januar Nachverhandlungen bei den Koalitionsgesprächen eingefordert hatte. Die SPD setzte sich damit durch, den Stichtag 31. Juli im Gesetzentwurf für die Übergangslösung zu verankern, um eine Verzögerung der Neuregelung zu vermeiden.
Zudem sieht der entsprechende Änderungsantrag für den Gesetzentwurf vor, dass die bisher geltende Härtefallregelung nach Paragraf 22 des Aufenthaltsgesetzes weiter gelten soll. Sie lässt eine Aufnahme aus "völkerrechtlichen oder dringenden humanitären Gründen" zu und soll zu dem Kontingent mit 1.000 Angehörigen pro Monat addiert werden. Die SPD sprach daher von einer "Regelung 1.000+". Diese Härtefall-Regelung galt bereits während der Aussetzung des Familiennachzugs für die vergangenen zwei Jahre, kam aber praktisch selten zur Anwendung. Ende Dezember teilte das Auswärtige Amt mit, dass 96 Visa in Härtefällen im Jahr 2017 erteilt wurden. Das waren im Schnitt nur acht pro Monat.
"Dieses Ergebnis ist eine bittere Enttäuschung", kommentierte Pro Asyl die Einigung. Der Paritätische Wohlfahrtsverband erklärte, es gebe "keine substanzielle Verbesserung". Auch Kinderrechtsorganisationen äußerten sich enttäuscht, ebenso die Diakonie: "Die Härtefallregelung war schon bisher unzureichend, sie wird auch künftig nicht ausreichen", sagte der Präsident des evangelischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Lilie. Ein reiches Land wie Deutschland müsse in der Lage sein, "an dieser Stelle menschliche Not zu lindern".
Die möglichen künftigen Koalitionspartner bei Union und SPD äußerten sich dagegen zufrieden. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) lobte den in seinen Augen "klugen und ausgewogenen Kompromiss". Gleichzeitig betonte er: "Die bestehende Härtefallregelung bleibt inkraft und wird damit weiterhin wie bisher angewendet." Der CSU-Bundestagsabgeordnete Stephan Mayer sagte mit Blick auf die Härtefall-Regelung, sie werde "in stark begrenztem Umfang für humanitäre Fälle ermöglicht".
Die SPD unterstrich ihrerseits, dass der Familiennachzug für subsidiär Geschützte überhaupt wieder eingeführt wird. Es sei nun "sichergestellt, dass ab 1. August 2018 der Familiennachzug auch für Familien von subsidiär Geschützten dann endlich wieder möglich ist", erklärte die Bundestagsabgeordnete Eva Högl, die in der Arbeitsgruppe Migration an den Koalitionsverhandlungen beteiligt ist.