Indiens Abrüstungsbotschafter bei den Vereinten Nationen verliert sich gerne im Philosophischen. Und der Diplomat gräbt ebenso engagiert in der langen Geschichte seiner Heimat. "Das alte Indien hatte Kriegsregeln", erklärt Amandeep Gill. "Die Kämpfe mussten bei Sonnenuntergang stoppen." Dann spannt er den Bogen zu seinem aktuellen Job. Gill leitet die UN-Konferenz der Regierungsexperten, die bis Freitag über militärische und ethische Aspekte einer unheimlichen neuen Waffengattung berät: sogenannte Killerroboter.
"Die Experten werden keine neue Regeln für die Kriegsführung mit Killerrobotern verabschieden", sagt Gill ohne Umschweife. "Sie werden auch keine Empfehlung an die Vertragsstaaten der UN-Waffenkonvention abgeben, Killerroboter zu verbieten." Ebenso hält es der Botschafter für unwahrscheinlich, dass die Vertragsstaaten der UN- Waffenkonvention auf ihrem Treffen ab Mitte nächster Woche (22.11.) Gespräche für eine Ächtung der Todesmaschinen beschließen.
Roboter identifizieren, nehmen ins Visier und töten
Killerrobotern werden also keine völkerrechtlichen Grenzen gesetzt. Die Maschinen haben freie Bahn, die Kriegsführung könnte in unheimlicher Weise revolutioniert werden. In den Verhandlungszimmern der Vereinten Nationen vereiteln genau die Länder ein Verbot der Killerroboter, die bei der Verschmelzung von Künstlicher Intelligenz und Kriegsgeräten weit gekommen sind: Es sind die USA, Großbritannien, China, Israel, Russland und Südkorea.
Deutschland hingegen "setzt sich für eine Ächtung vollautomatisierter Waffensysteme ein, die dem Menschen die Entscheidung über den Waffeneinsatz entziehen", heißt es beim Auswärtigen Amt in Berlin. Die internationale Gemeinschaft stehe aber noch am Anfang, wenn es um eine "Einigung mit Blick auf mögliche Regelungen geht". Anders ausgedrückt: Ein Verbot soll kommen. Nur wann es kommt, das bleibt offen.
Dass die Kriegsführung der Zukunft bereits begonnen hat, lässt sich an der Grenze Südkoreas zu Nordkorea beobachten: Südkoreanische Roboter, von der Firma Samsung entwickelt, bewachen die Demilitarisierte Zone zwischen den verfeindeten Staaten. Die von Algorithmen gesteuerten Apparate können Eindringlinge identifizieren, ins Visier nehmen und töten.
"Es besteht die reale Gefahr, dass die technologische Innovation der zivilen Kontrolle entgleitet", warnt die UN-Abrüstungsbeauftragte Izumi Nakamitsu. Der Missbrauch der künstlichen Intelligenz habe "potenziell katastrophale Konsequenzen". Deshalb werden Forderungen nach einem schnellstmöglichen Verbot der Killerroboter immer lauter.
Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch, das Europäische Parlament, etliche Friedensnobelpreisträger, Wissenschaftler und Kirchenrepräsentanten wie der frühere Erzbischof von Kapstadt, Desmond Tutu, betonen: "Maschinen dürfen nicht selbstständig entscheiden, ob sie Menschen töten." Killerroboter, so lautet ihr Credo, lassen sich nicht mit dem humanitären Völkerrecht und internationalen Menschenrechtsstandards vereinbaren.
Die Friedensaktivisten befürchten, dass die Risiken für das Auslösen eines Krieges wesentlich höher liegen, wenn Maschinen das Feuer eröffnen. Zudem drohten Kriege grausamer zu werden und länger zu dauern. Ethische Grundsätze, die Unterscheidung zwischen Gut und Böse, die Übernahme von Verantwortung für das eigene Tun, Mitleid - das alles könnte laut den Aktivisten in den Kriegen der Roboter verschwinden.
Als brisant dürfte sich auch eine strafrechtliche Verfolgung von Kriegsverbrechen erweisen. Wer soll verurteilt werden, wenn Killerroboter ein Massaker an Zivilisten verüben? Angesichts dieser Herausforderungen lässt Bonnie Docherty von Human Rights Watch keinen Zweifel aufkommen: "Die menschliche Kontrolle über Waffen ist ein moralischer Imperativ", erklärt sie. Und trotz des Widerstandes großer Militärmächte bleibt sie optimistisch: "Der Erfolg vergangener Abrüstungsverträge zeigt, dass ein absolutes Verbot vollständig autonomer Waffen machbar ist und wirksam wäre."