In einem Grußwort wies Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) darauf hin, dass die "große Vielfalt und Toleranz, sowie Offenheit gegenüber anderen Kulturen und Religionen in unserem Land auch der Reformation zu verdanken" sei. Er hoffe, dass Baden-Württemberg ein Kernraum für diese Werte bleibe und sie in die Welt hinaustrage, wie dies damals die jungen Reformatoren mit ihren Ideen getan hätten, sagte Kretschmann laut vorab verbreitetem Manuskript in der Mannheimer Christuskirche.
Die beiden Landesbischöfe Jochen Cornelius-Bundschuh (Karlsruhe) und Frank Otfried July (Stuttgart) erinnerten in ihrer gemeinsamen Predigt an die "Gnade und Treue Gottes" angesichts der Zerrissenheit der Welt und jedes einzelnen Menschen. Die Bibel erzähle, wie die Menschen hin- und hergeworfen seien zwischen Gottebenbildlichkeit und Verfehlung, sagte der württembergische Landesbischof. Auch Martin Luther habe das "Verfehlt-Sein des menschlichen Lebens, das Gefühl, selbst nicht dem gerecht zu werden, was Gott von ihm wollte" intensiv wahrgenommen.
Cornelius-Bundschuh verwies auf das "realistische Menschenbild" der Reformatoren. Sie hätten nicht nur das Böse in den Anderen gesehen, sondern auch ihre eigenen Grenzen und Bosheit. Entscheidend sei, dass Gott dem Menschen trotz allem treu bleibe, sagte der badische Landesbischof. Diese Erkenntnis dürfe jedoch nicht in Gleichgültigkeit oder in Beliebigkeit führen. Gott vertraue den Menschen den Lebensraum an, damit sie trotz aller Konflikte "Frieden und die Gerechtigkeit fördern, die Schwachen schützen, die Würde jedes einzelnen Menschen achten".
Die evangelische Kirche feiert bis Ende des Monats 500 Jahre Reformation. 1517 hatte Martin Luther (1483-1546) seine 95 Thesen gegen die Missstände der Kirche seiner Zeit veröffentlicht, die er der Überlieferung nach am 31. Oktober an die Tür der Wittenberger Schlosskirche nagelte. Der Thesenanschlag gilt als Ausgangspunkt der weltweiten Reformation, die die Spaltung in evangelische und katholische Kirche zur Folge hatte.