Heimstiftung fordert Paradigmenwechsel in der Pflege

Heimstiftung fordert Paradigmenwechsel in der Pflege
Die Evangelische Heimstiftung als größter Pflegeanbieter in Baden-Württemberg fordert, das System der Pflegeversicherung umzukehren.

Der Hauptgeschäftsführer des diakonischen Unternehmens, Bernhard Schneider, sagte im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Wir schlagen vor, eine Pflege-Teilkaskoversicherung einzuführen. Dann würde der Heimbewohner immer den gleichen Betrag bezahlen, und die Pflegekassen übernehmen das, was darüber hinausgeht."

Ziel müsse es sein, die Pflegeversicherung strukturell so zu verändern, dass die Kosten für alle Pflegebedürftigen tragbar sind, "unabhängig davon, ob sie zu Hause, im Betreuten Wohnen oder in einem Pflegeheim leben". Die vorgeschlagene Reform sei finanzierbar, sagte Schneider: "Ein um 0,5 Prozent steigender Pflegebeitrag würde locker ausreichen."

Laut einer Forsa-Umfrage im Auftrag des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, über die die Zeitungen der Essener Funke Mediengruppe (Sonntag) berichten, hat jeder zweite Deutsche Angst, im Fall von Pflegebedürftigkeit nicht genügend abgesichert zu sein. Im Osten ist die Sorge größer als im Westen, bei Frauen ist sie etwas stärker als bei Männern. Demnach glauben 53 Prozent der Befragten, sie seien finanziell nicht ausreichend abgesichert. Im Osten sind es sogar 61 Prozent.



Nach Angaben der Verbraucherzentrale bezogen im Jahr 2015 bereits rund 350.000 Menschen in Deutschland staatliche Hilfe zur Pflege, weil sie nicht über die notwendigen Mittel verfügten, um den persönlichen Kostenanteil zu übernehmen. Der Bundesverband schlägt vor, die Leistungen der Pflegekassen jährlich automatisch an die Kostenentwicklung anzupassen. Eine Überprüfung der Pflegeleistungen sei derzeit nur alle drei Jahre vorgesehen.

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, forderte eine bessere Bezahlung für Altenpfleger. Die Pflegeausbildung sei hart, man müsse Nachtschichten, Wochenenddienste und Überstunden machen, und die Arbeit sei auch psychologisch sehr anspruchsvoll. "Zugleich ist die Bezahlung jämmerlich", kritisierte der Ökonom. Nach Berechnungen des DIW sind bis zum Jahr 2040 rund eine weitere Million Fachkräfte in der Pflege nötig.

Nach Einschätzung von Schneider, Chef der Heimstiftung, verhindert das bestehende System der Pflegefinanzierung, dass den Fachkräften höhere Löhne bezahlt werden können. "Die Versicherung übernimmt einen festen Eigenanteil und alles, was darüber hinaus geht, muss der Pflegebedürftige oder seine Angehörigen bezahlen." Das gelte auch für steigende Lohnkosten: "Die Heime müssen diese Belastungen zu 100 Prozent weitergeben." Mit einer Teilkasko-Pflegeversicherung "würden wir die höheren Personalausgaben über den Pflegesatz refinanzieren".

Die Situation in der Pflege spielte auch im Bundestagswahlkampf eine Rolle. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hatte angekündigt, im Falle eines Wahlsiegs einen Kurswechsel in der bisherigen Pflegepolitik einzuleiten. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat zugesagt, Pflegekräfte stärker zu unterstützen.