Mehr als 500 Christen gedachten am Sonntag in einem Open-Air-Gottesdienst der Opfer der Messerattacke. Mitgefühl sei die Sprache des Verstehens, sagte Bischöfin Kirsten Fehrs. "Die Stille würdigt die Unaussprechlichkeit des Schmerzes." Sie forderte die Menschen auf, sich nicht vom Hass überwältigen zu lassen.
Dazu gehöre auch, die Reformation als ein maritimes Segelfest zu feiern, sagte Fehrs. Die Seefahrt stehe für die Sehnsucht nach Ungebundenheit. "Schifffahrt geht immer ans Herz." Auch die Reformation Martin Luthers vor 500 Jahren sei ein Aufbruch zur Freiheit gewesen. Sie sei getrieben von der Sehnsucht, dass sich etwas zum Besseren wendet. Freiheit binde die Menschen aber emotional. Fehrs: "Freiheit hat als Geschwister immer die Nächsten."
Die Reformation sei ein Ereignis, das eine solche Spannung wie am Wochenende aushalte, sagte der Hamburger Propst Karl-Heinrich Melzer. Sie könne mit frohem Herzen gefeiert werden und gebe doch zugleich Anlass, tief ins Nachdenken zu kommen.
"Diese Stadt wird sich nicht einschüchtern lassen"
Vor vier Wochen war der Dreimast-Segler "Artemis" in Stralsund gestartet und in zahlreichen Häfen der Ost- und Nordsee vor Anker gegangen. Auf ihrem 850 Seemeilen langen Törn besuchte er alle 13 Kirchenkreise und die Nordschleswigsche Gemeinde im dänischen Sonderburg. Die Nordkirche ist die einzige evangelische Landeskirche in Deutschland, in der alle Kirchenkreise auf dem Wasserweg zu erreichen sind.
Auf den 18 Streckenabschnitten reisten insgesamt rund 1.500 Gäste an Bord mit, etwa 25.000 Menschen besuchten die Hafenfeste unter anderem in Laboe, Flensburg, Kiel, Büsum und Helgoland. Letzte Station war die Hamburger Hafencity mit rund 6.000 Besuchern.
Etwa zur gleichen Zeit, als der Dreimast-Segler am Freitagnachmittag die Hafencity erreichte, griff ein 26-jähriger Palästinenser wenige Kilometer weiter nördlich in einem Barmbeker Supermarkt ein Messer und erstach einen Mann. Dabei soll er wie andere Terroristen "Allahu Akbar" ("Gott ist groß") gerufen haben. Sechs weitere Menschen wurden zum Teil schwer verletzt.
Gegen den Angreifer wurde mittlerweile Haftbefehl erlassen. Es handelt sich um einen abgelehnten Asylbewerber, der ausreisepflichtig war. Die Staatsanwaltschaft sieht zwar keine Anhaltspunkte für eine verminderte Schuldfähigkeit, er ist aber offenbar psychisch labil.
Bereits zur Eröffnung des Segelfestes am Samstag hatte die Nordkirche mit einer Gedenkminute an die Opfer erinnert. Gemeinsam beteten mehrere hundert Menschen auf den Magellan-Terrassen das "Vaterunser". Es sei wohltuend, in der Gemeinschaft für die Opfer zu beten, sagte Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne). Die Gemeinschaft der Hamburger könne helfen, die Angst gemeinsam zu überwinden. Fegebank: "Diese Stadt wird sich nicht einschüchtern lassen."