Die Heimat des Obelisken ist das alte Ägypten, wo die pyramidenförmigen, schlanken Pfeiler vor Tempeln postiert die steingewordenen Strahlen des Sonnengottes darstellten. Sie schufen eine Verbindung zwischen der irdischen und der Götterwelt. Ein solcher Obelisk, wenn auch mit 16 Metern in deutlich kleinerer Dimension als in Ägypten, schmückt nur wenige Meter vom Friedrichsplatz entfernt den Kasseler Königsplatz.
Ähnlich wie die ägyptischen Obelisken hat er eine Inschrift, hier allerdings ein überraschendes Zitat aus der Bibel. "Ich war ein Fremdling und ihr habt mich beherbergt", steht in Goldschrift auf einer Seite als Zitat aus dem Matthäusevangelium zu lesen. Die anderen drei Seiten des Obelisken zitieren den Spruch in arabisch, türkisch und englisch.
Wer meint, hier sei ein christlicher Künstler am Werk, irrt allerdings. Der in Nigeria geborene Schöpfer des Kunstwerks, Olu Oguibe, hat zwar nach eigenem Bekunden einen Prediger als Vater, ist aber selbst kein Christ. Er ist Künstler, Kulturwissenschaftler und international tätiger Kurator. Nach Studium an der University of Nigeria und Promotion in London lehrte er unter anderem am Goldsmith College in London, an der University of Illinois in Chicago und an der University of South Florida. Dort hatte er den "Stuart Golding Endowed Chair" in Afrikanischer Kunst inne.
Seine Professur für Kunst und African-American Studies an der University of Connecticut gab er vor einiger Zeit auf, um sich ganz der künstlerischen Arbeit zu widmen. 2007 nahm Oguibe an der Biennale in Venedig teil - das Jahr, in dem Afrika erstmals mit einem Pavillon vertreten war. Der Künstler lebt und arbeitet in der Kleinstadt Rockville in Connecticut.
Im Juni wurde bekannt, dass Oguibe den Arnold-Bode-Preis 2017 erhalten wird. Der mit 10.000 Euro dotierte Preis wird ihm am 10. September im Kasseler Rathaus überreicht. Der Kasseler Oberbürgermeister Bertram Hilgen (SPD), der zugleich auch Aufsichtsratsvorsitzender der documenta ist, würdigte den Beitrag Oguibes zur documenta 14. "Es ist eine Arbeit, die eines der brennenden Themen der Gegenwart aufnimmt und mit der Formgebung einen Bezug zur Geschichte herstellt", sagte er.
Der Bezug zum Thema Flucht und Migration ist eindeutig. Mit einem Bibelzitat, sagte der Künstler bei der Errichtung, wolle er besonders diejenigen frommen Evangelikalen in den USA provozieren, die sich vehement gegen die Aufnahme von Flüchtlingen wehren. Gemessen an der Zahl der aufgenommenen Flüchtlinge kann der Obelisk umgekehrt auch als eine Auszeichnung, ein mahnendes Denkmal für Deutschland verstanden werden.
Der Arnold-Bode-Preis wird zur Erinnerung an den Gründer der documenta, Arnold Bode, alle zwei Jahre verliehen, immer aber in einem documenta-Jahr. Das Preisgeld wird von der Kasseler Sparkasse zur Verfügung gestellt.