Er fand es stets bedauerlich, aber irgendwie hatte er seinen Glauben im Laufe seines Lebens verloren. Einen Zugang zur Kirche fand er einfach nicht. Als er eine neue Frau kennenlernte, änderte sich aber vieles. Er erlebte, wie sie glaubte. Gemeinsam fand er mit ihr einen Weg zur Kirche - und der Glaube wurde ihm sehr wichtig. Solche Erzählungen haben evangelische Kirchen in den vergangenen Monaten mit einem Geschichtenmobil auf einer Reise durch Europa gesammelt - als Texte, Audios und Videos.
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Seit Anfang November ist das Team mit einem Truck beim Europäischen Stationenweg unterwegs. "Ich fand die Idee, quer durch Europa zu fahren und zu schauen, welche Bedeutung Reformation heute hat, sehr spannend", sagt Paulina Spiess. Die 25-Jährige aus Kiel unterbrach ihr Studium der Geografie und Politik und machte als eine von 15 Freiwilligen mit.In dem knapp 17 Meter langen hellblauen Lkw konnten Besucher die Geschichte der Reformation multimedial erleben. Los ging die Tour in Genf, nach mehr als 60 Stationen in 19 Ländern und einer Fahrt von mehr als 25.000 Kilometern soll der Truck am 20. Mai in Wittenberg zur Eröffnung der Weltausstellung "Tore der Freiheit" ankommen.
Der Stationenweg sei eine Einladung an die Menschen an den jeweiligen Stationen gewesen, erläutert Christof Vetter, Sprecher des Vereins Reformationsjubiläum 2017. "Wir wollten damit zeigen: Wir feiern das Reformationsjubiläum vor Ort, denn Reformation ist etwas, das in den Kirchengemeinden passiert und dort bis heute wichtig ist."
Die evangelische Kirche feiert bis Oktober dieses Jahres 500 Jahre Reformation. 1517 hatte Martin Luther (1483-1546) seine 95 Thesen gegen die Missstände der Kirche seiner Zeit veröffentlicht, die er der Überlieferung nach am 31. Oktober an die Tür der Wittenberger Schlosskirche nagelte. Der Thesenanschlag gilt als Ausgangspunkt der weltweiten Reformation, die die Spaltung in evangelische und katholische Kirche zur Folge hatte.
Menschen verbinden mit Reformation unterschiedliches
Sie habe auf der Reise des Stationenwegs erlebt, dass Reformation nichts Starres ist, berichtet Spiess. "Es ist total unterschiedlich, was Menschen heutzutage mit der Reformation verbinden." In Villach in Österreich formulierten Vorschulkinder im Unterricht ihre 95 Thesen zu Glaube und Religion. Sie klebten diese auf eine gebastelte Luther-Figur aus Papier und brachten sie zum Truck. Besonders in Erinnerung blieb Spiess zudem die Station in dem kleinen Ort Puconci in Slowenien im Januar, die Gemeinde war die erste evangelische des Landes. "Wir waren dort das Ereignis des Jahres: Wirklich alle Menschen waren in Bewegung. Sie waren begeistert, dass wir gekommen waren."
An den Stationen gab es rund um den Truck Veranstaltungen, die ganz unterschiedlich gestaltet waren. "Wir haben die Vielfalt des Protestantismus erlebt", sagt Tourmanager Johannes Göring. Er habe zum Beispiel erfahren, wie verschieden Gottesdienste gefeiert werden. Im Begleitprogramm setzten die regionalen Kirchen Schwerpunkte. Dort seien auch aktuelle innerkirchliche Debatten zur Sprache gekommen, in Riga in Lettland beispielsweise die Abschaffung der Frauenordination, erzählt Göring. Auf der Tour selbst hätten diese Fragen aber keine entscheidende Rolle gespielt.
Die Reise sei ein Erfolg gewesen, bilanziert Sprecher Vetter: "Die Tour war international und ökumenisch, das war uns sehr wichtig. Viele Menschen haben den Truck wahrgenommen, es gab sehr viele Veranstaltungen an den Stationen und wir haben viele Reformationsgeschichten gesammelt." Mehr als 50.000 Besucher kamen insgesamt. Sie hinterließen mehr als 4.000 Einträge im Gästebuch, im Internet-Blog veröffentlichte das Team mehr als 2.000 Beiträge.
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Die Reise wirkte sich auch auf die Perspektive der Macher aus. Beim Beginn der Planungen vor fünf Jahren sei nicht absehbar gewesen, dass das Thema Europa eine so große Rolle spielen würde, erinnert sich Göring. Die Tour habe seine persönliche Sicht verändert. "Ich habe erlebt: Es gibt es tatsächlich, dieses Europa, von dem immer wieder als politisches Konstrukt die Rede ist. Im Protestantismus ist das mit Inhalt gefüllt, es gibt Menschen, die die europäische Idee leben." Das mache ihm Hoffnung, dass Europa in Zukunft bestehen könne.