Wer kann, der flieht. Ansonsten droht in vielen Regionen Somalias der Hungertod. "Zuletzt sind jeden Tag gut 1.000 Menschen in unserem Auffanglager in Baidoa eingetroffen, die dringend Hilfe benötigen", sagt eine Mitarbeiterin des Welternährungsprogramms (WFP), die aus Sicherheitsgründen anonym bleiben muss. Hilfe in Somalia ist ein gefährliches Geschäft, besonders in Baidoa. Die südwestliche Stadt gilt als sicher, ist jedoch von Gebieten umgeben, die von der Terrormiliz Al-Shabaab kontrolliert werden. Helfer sind hier nicht willkommen. Immerhin lassen die Islamisten zu, dass Bedürftigen fliehen. Bei der letzten Hungersnot 2011 war das nicht der Fall. 260.000 Menschen starben.
Im Netz betreibt Al-Shabaab zwar Propaganda, filmt die Verteilung eigener Hilfsgüter und zeigt Hilfskomitees, die mit der Versorgung der Bevölkerung beauftragt sind. Doch zugleich berichten somalische Medien von Überfällen Al-Shabaabs auf ganze Dörfer, bei denen Nahrungsmittelvorräte geplündert werden. Hilfe ist teuer, und Al-Shabaab ist klamm. Der letzte Weg, einen Aufstand der Bevölkerung zu vereiteln, liegt darin, sie gehen zu lassen. In den Lagern sind UN und Hilfsorganisationen am Zug. Doch auch denen fehlt Geld: Von den 863 Millionen US-Dollar (rund 810 Euro), die nach heutigem Stand 2017 in Somalia gebraucht werden, ist gerade einmal ein Drittel zusammengekommen.
"Geld und Sicherheit hängen zusammen"
"Wir sind besser aufgestellt als 2011, haben mehr Zugang, haben schneller reagiert und stellen oft elektronische Geldkarten anstelle von Nahrungsmitteln bereit, was alles einfacher macht", erklärt Amor Almagro vom WFP in Nairobi. Denn die Hungersnot, unter der in Somalia mehr als sechs Millionen Menschen leiden, bedeutet nicht, dass keine Nahrung da wäre. Vor allem in den Städten stehen Lebensmittel in den Läden. Doch denen, die vom Krieg vertrieben wurden oder deren Ernten auf den Feldern verdorrt sind, fehlt das Geld, die teuren Güter zu kaufen. Mehr als 700 Händler kooperieren deshalb inzwischen mit dem WFP.
Jenseits der Städte ist die Lage komplizierter. "Unsere großen Herausforderungen sind das fehlende Geld und die Sicherheitslage", erläutert Almagro. "Beides hängt oft auch zusammen: Im Süden Somalias etwa können wir manche Gebiete aus Sicherheitsgründen nur aus der Luft versorgen, das kostet weitaus mehr als der Einsatz von Trucks." Die Alternative bedeutet, dass Leben der Helfer aufs Spiel zu setzen.
Im Südsudan, wo wie in Somalia die Hungersnot herrscht, töteten Bewaffnete bei Überfällen auf zwei Hilfskonvois im März acht Mitarbeiter von humanitären Organisationen. Seit Beginn des Bürgerkriegs Ende 2013 sind insgesamt 79 Helfer ums Leben gekommen.
Zwei von drei Südsudanesen, insgesamt 7,5 Millionen, sind auf humanitäre Hilfe der Weltgemeinschaft angewiesen, um zu überleben. Täglich strömen mehr als 3.000 Flüchtlinge über die Grenze in den Norden Ugandas, die Behörden dort sind vollkommen überfordert. Für die meisten Südsudanesen ist Flucht dagegen keine Option, weil sie von kämpfenden Gruppen umgeben sind. Die Regierung, die den Bürgerkrieg aus Gier um die Öleinnahmen des Landes erneut angefacht hat, macht unterdessen denen das Leben schwer, die den Hungernden unter Einsatz ihres Lebens helfen wollen.
"Humanitäre Auffanglager und Vorräte sind wiederholt geplündert worden", kritisierte UN-Generalsekretär António Guterres Ende März in New York. "Die Regierung vereitelt Lieferungen mit lebenswichtigen Gütern, indem sie Zugangsgenehmigungen verweigert und bürokratische Hürden errichtet." Dass die Regierung im März per Dekret die Kosten pro Arbeitsgenehmigung der Helfer auf 10.000 US-Dollar erhöhte, sorgte für einen Aufschrei der Entrüstung. Erst am 3. April nahm die Regierung die Erhöhung wieder zurück.
Es ist eine weitere Front, an der Helfer kämpfen mussten. Die wichtigste aber bleiben die Finanzen. Für den Südsudan liegen die Mittelzusagen der Geberstaaten bisher unterhalb von einem Fünftel, für die ebenfalls von der Hungerkrise betroffenen Länder Nigeria und Jemen bei jeweils nur zehn Prozent. Dass ohne das Geld bis zu 20 Millionen Menschen verhungern könnten, scheint angesichts der Vielzahl immer länger anhaltender Krisen überall auf der Welt nicht genügend Regierungen zum Spenden zu bewegen.