Im Syrien-Krieg werden nach Angaben von Frauenrechtlerinnen Vergewaltigungen als Kriegswaffe eingesetzt. Alle Kriegsparteien nutzten sexualisierte Gewalt als Mittel, um Macht zu demonstrieren und den Gegner zu demütigen, sagte Sybille Fezer, Geschäftsführerin von medica mondiale dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Es ist eine Botschaft an die gegnerische Gruppe: Ihr könnt eure Frauen nicht schützen", erklärte Fezer. Die Frau werde symbolisch dazu benutzt, die Ehre des Mannes zu verletzen.
"Sexualisierte Gewalt zerstört auf sehr vielen Ebenen."
Seit sechs Jahren herrscht Krieg in Syrien zwischen dem Regime von Herrscher Baschar al-Assad, verschiedenen Rebellengruppen und Terrormilizen. Hunderttausende Syrer wurden dabei getötet, mehr als elf Millionen Menschen sind auf der Flucht.
Die Folgen der Vergewaltigungen für Frauen seien verheerend, sagte Fezer: "Sexualisierte Gewalt zerstört auf sehr vielen Ebenen." Viele Frauen entwickelten Phobien, litten an Schlafstörungen, seien angespannt, traumatisiert und depressiv bis hin zur Selbstmordgefährdung. Außerdem bekämen vergewaltigte Frauen oft Probleme in den Beziehungen zu ihren Kindern und Ehemännern. Viele seien nach den Gewalttaten arbeitsunfähig und von Armut bedroht. medica mondiale unterstützt unter anderem Projekte für syrische Frauen in Flüchtlingslagern im Nordirak und in der Türkei.
Die Täter in Syrien seien nicht nur Soldaten, Rebellen und Angehörige von Terrormilizen, sagte Fezer. Durch die Dauer des Krieges, den Zerfall von Familien und den Verlust der sozialen Kontrolle durch Autoritätspersonen sinke die Hemmschwelle bei Gewalt. Daher steige auch die Zahl der Vergewaltigungen durch Bekannte und Nachbarn, erläuterte die 47-Jährige. Auch in Flüchtlingslagern seien Frauen nicht vor sexualisierten Übergriffen geschützt. Manchmal stellten dort sogar Helfer für Sex mehr Essen in Aussicht.
Sicherheit bieten und Selbstwertgefühl steigern
Um vergewaltigten Frauen zu helfen, ist es nach Fezers Worten wichtig, ihnen Sicherheit zu bieten und ihr Selbstwertgefühl zu steigern. Um die Traumata aufzuarbeiten, bräuchten Frauen ein Umfeld, in dem sie akzeptiert und anerkannt werden. "In allen Ländern, in denen wir tätig sind, haben wir die Erfahrung gemacht, dass das soziale Umfeld das Leid der Frauen und die an ihnen begangenen Kriegsverbrechen anerkennen muss", sagte Fezer. Das sei ein heilender Aspekt. Dabei spielten auch die Ehemänner eine wichtige Rolle.
Wie viele Frauen in Syrien, in den Flüchtlingslagern der Nachbarländer oder auf der Flucht vergewaltigt werden, lasse sich nicht genau sagen. Das Thema sei tabuisiert, viele Frauen schämten sich und sprächen nicht darüber, erklärte die Geschäftsführerin von medica mondiale. Bei früheren Kriegen, wie beispielsweise in Bosnien-Herzegowina, habe es lange Zeit gedauert, bis sich Opfer meldeten oder gar in Gerichtsverfahren aussagten. Die Dunkelziffer bleibe immer hoch.