Der US-Historiker Brad Gregory von der University Notre Dame in Indiana hingegen sprach von "allenfalls indirekten und unbeabsichtigten Folgen der Reformation für die Moderne". "Martin Luther wäre entsetzt über unseren modernen Individualismus, wo jeder das gesetzlich geschützte Recht hat, zu glauben, was er will - oder was er nicht will", sagte Gregory auf der Tagung in Haus Villigst unter dem Motto "Die Entdeckung des Individuums. Wie die Reformation die Moderne geprägt hat", an der knapp 100 Theologen, Historiker und andere Wissenschaftler teilnahmen. Veranstalter des Symposiums war die Evangelische Kirche von Westfalen.
Der evangelische Theologe Bernd Schröder von der Universität Göttingen betonte, dass gerade durch die Reformation die Vorrangstellung des Individuums in die religiöse und politische Welt getragen worden sei. "Die Reformation hat mit ihrem Blick auf und ihrem Anerkennen des Individuums und seines persönlichen Verhältnisses zu Gott das mittelalterliche Denken regelrecht zum Einsturz gebracht", erklärte er. Die Reformation dürfe auch als eine erzieherische Bewegung gesehen werden. "Nach Luther kann nun jeder Einzelne selbst zu Gott finden - eine bis dahin ungeheuerliche Vorstellung!", sagte Schröder.