Der braunschweigische Landesbischof Christoph Meyns verfolgte am Sonntag die Feierlichkeiten vom Rathaus-Balkon aus. Luthers Kritik am Karneval trifft heute kaum noch, sagte der evangelische Landesbischof im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).
epd: Warum sind Sie auch in diesem Jahr beim Braunschweiger Schoduvel dabei?
Christoph Meyns: Weil der moderne Karneval von Humor und einem kritischen Geist geprägt ist. Beides brauchen wir mehr denn je. Der Spaß an der Narretei hört allerdings da auf, wo Menschen in ihrer Würde und ihren religiösen Gefühlen verletzt werden.
epd: Luther hat den Karneval verteufelt und sich gegen die oft ausschweifenden Feiern gewandt. Was hat sich in der Zwischenzeit geändert, so dass Sie als Landesbischof im zweiten Jahr in Folge beim Schoduvel dabei sind?
Meyns: Luther hat den Karneval mit Zügellosigkeit gleichgesetzt. Den Karneval heute darauf zu reduzieren, wäre falsch. Außerdem hat Luther die Vorstellung kritisiert, Zügellosigkeit sei möglich, weil sie durch spätere Bußleistungen kompensiert werden könne, also durch eigenes Vermögen. Das widersprach seiner Grundüberzeugung, dass der Mensch allein durch Gottes Gnade Sündenvergebung erhält. Diese Kritik trifft den Karneval aber kaum noch. Er ist heute in erster Linie ein gesellschaftliches Ereignis.
epd: Nun fährt der Reformator in Überlebensgröße durch die Braunschweiger Innenstadt - welche Botschaft soll damit den feiernden Jecken übermittelt werden?
Meyns: Der Reformationswagen betont die Befreiung des Menschen von Kräften, die ihn unterdrücken und bevormunden wollen. Er zeigt, die Reformation hat eine Emanzipationsbewegung in Gang gesetzt, ohne die unsere moderne Gesellschaft kaum zu denken wäre. Die Idee für den Reformationswagen kam aus der Mitte der Karnevalsverantwortlichen. Wenn in Zukunft weitere Ideen an uns herangetragen werden, werden wir diese sicher beraten. Uns ist aber wichtig, dass der Karneval frei bleiben muss, seine eigenen Akzente zu setzen.