Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe lehnte in einem am Dienstag verkündeten Urteil den Verbotsantrag der Bundesländer ab. Der Präsident des höchsten deutschen Gerichts, Andreas Voßkuhle, begründete die Entscheidung mit der geringen Bedeutung der rechtsextremistischen Partei (Aktenzeichen: 2 BvB 1/13). "Das Parteiverbot ist kein Gesinnungs- oder Weltanschauungsverbot", sagte Bundesverfassungsgerichtspräsident Voßkuhle. Die NPD mit weniger als 6.000 Mitgliedern verfolge zwar verfassungsfeindliche Ziele, es fehle aber an konkreten Anhaltspunkten, dass ihr Handeln zum Erfolg führen könnte. Deshalb sei ein Parteiverbot als schärfste und überdies zweischneidige Waffe eines demokratischen Rechtsstaats nicht zu rechtfertigen.
Holocaust-Überlebende äußerten sich enttäuscht. Grüne, Linke und Kirchen riefen in ersten Reaktionen zu entschiedenem Eintreten gegen Rechtsextremismus auf. Die NPD jubelte: "Sieg", twitterte der Bundesvorstand mit sechs Ausrufezeichen.
Keine dauerhafte Vertretung in Landesparlamenten
Mit dem Karlsruher Urteil ist der Bundesrat als Antragsteller im Verfahren zum zweiten Mal mit dem Wunsch nach einem Parteiverbot gescheitert. 2003 war ein erstes NPD-Verbotsverfahren wegen V-Leuten des Verfassungsschutzes in der Partei eingestellt worden.
In seiner Begründung erläuterte das Bundesverfassungsgericht die Hürden, die das Grundgesetz für ein Parteiverbot aufstellt. Ein gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtete Zielsetzung reiche nicht aus. Die NPD habe es in mehr als fünf Jahrzehnten ihres Bestehens nicht geschafft, dauerhaft in einem Landesparlament vertreten zu sein. Es gebe keine Hinweise darauf, dass sich das ändern werde. Trotz einiger kommunaler Mandate seien die Wirkungsmöglichkeiten beschränkt.
Andere Reaktionsmöglichkeiten werden geprüft
Allerdings missachte das politische Konzept der NPD die Menschenwürde und sei mit dem Demokratieprinzip unvereinbar. Es stehe außer Zweifel dass die Partei die "Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung" anstrebt, erläuterte Voßkuhle. Durch kriminelles und einschüchterndes Verhalten von Mitgliedern könne die Partei Besorgnisse auslösen. Dies erreiche aber keine bedrohliche Schwelle. Auf Einschüchterung, Bedrohung und den Aufbau von Gewaltpotenzialen müsse mit präventiven polizeilichen und strafrechtlichen Mitteln reagiert werden.
Das Verfassungsgericht attestiert der NPD eine Wesenverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus, die die Missachtung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bestätige. Da aber nicht einmal die Möglichkeit bestehe, dass die Partei ihre verfassungsfeindlichen Ziele erreichen könne, könne die NPD "trotz verfassungsfeindlicher Gesinnung grundsätzlich weiterhin das Parteiprivileg in Anspruch nehmen", sagte Voßkuhle. Ob andere Reaktionsmöglichkeiten sinnvoll seien, wie etwa der Entzug der staatlichen Finanzierung der rechtsextremen Partei, habe der Gesetzgeber zu entscheiden.
Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, reagierte enttäuscht auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts: "Juden gehören ganz klar zum Feindbild der NPD. Für die jüdische Gemeinschaft und andere Minderheiten sowie all jene, die nicht in das Weltbild dieser Partei passen, wäre ein Verbot sehr wichtig und ermutigend gewesen."
Nach dem Scheitern des NPD-Verbots forderten Vertreter von Linken und Grünen ein entschiedenes Eintreten gegen Rechtsextremismus. Der Kampf gegen Nationalismus, Rassismus und Terrorismus gehörten nun umso mehr in den Fokus der Gesellschaft, erklärte Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke). Der Grünen-Politiker Volker Beck erklärte: "Jetzt muss der Kampf gegen Rechtsextremismus erst recht geschlossen geführt werden."
Überall Enttäuschungen
Auch der evangelische hannoversche Landesbischof Ralf Meister rief zu Zivilcourage auf: "Meine Sorge gilt jedem Einzelnen, der sich von menschenverachtenden, ausgrenzenden, rassistischen, antijudaistischen oder islamfeindlichen Positionen verführen lässt."
Das Internationale Auschwitz Komitee reagierte enttäuscht. Vizepräsident Christoph Heubner sprach von einem "tragischen Tag für die wehrhafte Demokratie". Das Urteil sei ein fatales Signal in Europa, wo Rechtsextreme und Rechtspopulisten versuchten, Angst und Unsicherheit in Hass und Aggression zu verwandeln.
Die Amadeu Antonio Stiftung vermisst eine Strategie im Umgang mit Rechtsextremismus. "Immer wieder haben wir seit dem Beginn des NPD-Verbotsverfahrens 2012 deutlich gemacht, dass mit Verboten den wachsenden Herausforderungen für die Demokratie nicht beizukommen ist", sagte Geschäftsführer Timo Reinfranker.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) verwies auf die kommunalen Mandate der NPD, vor allem im Osten. "Wir werden weiter mit sehr viel Personal NPD-Veranstaltungen und -Demonstrationen schützen müssen. Das hätten wir uns gerne erspart", sagte der GdP-Bundesvorsitzende Oliver Malchow.