In einer Reaktion auf den Verfolgungsindex rief der Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) zu mehr Hilfen für verfolgte Christen auf. "Die Bundesregierung muss in ihrer Außen- und Entwicklungspolitik weiterhin stets auf die Einhaltung der Religionsfreiheit pochen", erklärte der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag. Wahrung der Glaubens- und Gewissensfreiheit sei Voraussetzung für den Frieden in der Welt, so Kauder.
Kauder bezeichnete die von Open Doors genannten Zahlen von verfolgten Christen als "Alarmzeichen". Die Freiheit von Christen, aber auch von Angehörigen anderer Religionen, bleibe in akuter Gefahr. Erschreckend sei insbesondere die Lage im Mittleren und Nahen Osten sowie in Afrika. In 35 der 50 Länder des "Weltverfolgungsindex" sei der islamistische Extremismus die Haupttriebkraft für die Verfolgung von Christen. Kauder: "Gruppen wie Boko Haram, Al Shabaab und der sogenannte Islamische Staat gehen mit extremer Gewalt gegen Christen und andere Minderheiten vor." Deutschland und Europa müssten sich dafür einsetzen, dass christliches Leben in der Ursprungsregion des Christentums wieder möglich ist.
In der umstrittenen Statistik listet das Hilfswerk Open Doors 50 Länder auf, in denen Christen seiner Erkenntnis nach am stärksten verfolgt und benachteiligt werden. Die "deutlichsten Verschlechterungen" macht Open Doors für das Jahr 2016 neben dem Jemen in Ländern in Asien aus. Dort nehme der "religiös motivierte Nationalismus" zu. Nordkorea führt wie im vergangenen Jahr die Negativliste an, doch auch in Indien, das auf dem Index deutlich weiter nach vorne rückte, in Laos, Bangladesch, Vietnam und Bhutan habe sich die Lage verschlechtert, heißt es.
"Herrschende Triebkraft" für die Benachteiligung und Verfolgung von Christen bleibt für Open Doors "islamische Unterdrückung". So lägen die meisten der 50 Länder auf dem "Weltverfolgungsindex" im Nahen Osten oder in Nordafrika, ebenso acht der ersten zehn Länder. Für ihren "Weltverfolgungsindex" hat die Organisation eigene Methoden und Kriterien entwickelt, die in der Vergangenheit von Menschenrechtsorganisationen und anderen immer wieder kritisiert wurden. Erfasst werden mit Hilfe von Fragebögen Einschränkungen für und Gewalt gegen Christen im Privatleben, in Familie und Gesellschaft sowie auf nationaler und politischer Ebene. Die Fragebögen werden nach Angaben von Open Doors sowohl von sogenannten Feldquellen wie Kontaktleuten und Mitarbeitern des Hilfswerks als auch von externen Experten ausgefüllt.
Geht es um konkrete Christenverfolgung?
Das Gustav-Adolf-Werk äußerte sich skeptisch zum Open-Doors-"Weltverfolgungsindex 2017". Er habe die "sprunghafte Verdoppelung der Zahl um 100 Millionen mit Verwunderung wahrgenommen", sagte GAW-Generalsekretär Enno Haaks dem Evangelischen Pressedienst (epd). Positiv sei, "dass es Open Doors gelungen ist, auf die Situation von verfolgten Christen hinzuweisen". Aber er bezweifele, dass es bei den genannten Zahlen immer um eine konkrete Christenverfolgung geht. Oft gehe es darum, dass Christen in ihrer Religionsausübung beschränkt sind oder keine Religionsfreiheit haben. Dann gehe es meist auch gesamtgesellschaftlich um die Verletzung von anderen Menschenrechten, um die Verletzung von Bewegungsfreiheit, die freie Meinungsäußerung, um das Recht auf Bildung für Minderheiten oder andere entsprechende Themen.
Das 1832 in Leipzig gegründete Gustav-Adolf-Werk ist das älteste evangelische Hilfswerk in Deutschland. Es hilft religiösen Minderheiten weltweit. Partner sind protestantische Minderheitskirchen in Europa, Lateinamerika und Zentralasien. Das Werk hilft beim Gemeindeaufbau, bei der Renovierung, beim Neubau von Kirchen, bei sozialdiakonischen und missionarischen Aufgaben und bei der Aus- und Weiterbildung von kirchlichen Mitarbeitern.