"Eine mutige und engagierte Politikerin"

"Eine mutige und engagierte Politikerin"
FDP-Politikerin Hildegard Hamm-Brücher gestorben
Viele Jahrzehnte hat sie die liberale Politik in Deutschland mitgeprägt; 2002 brach sie mit "ihrer" FDP: Am Donnerstag ist Hildegard Hamm-Brücher im Alter von 95 Jahren in München gestorben. Sie war Mitglied der bayerischen Landessynode wie auch der EKD-Synode und gehörte dem Präsidium des Kirchentags an.

Wie die bayerische FDP am Freitag bekanntgab, starb die frühere Staatsministerin im Auswärtigen Amt bereits am Donnerstag im Alter von 95 Jahren. Hamm-Brücher war auf Kommunal-, Landes- und Bundesebene politisch aktiv, 2002 trat sie nach 54 Jahren aus der FDP aus. Für ihre Geradlinigkeit und das Eintreten für ihre Überzeugungen wurde Hildegard Hamm-Brücher nun unter anderem von Bundespräsident Joachim Gauck, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und FDP-Chef Christian Lindner gewürdigt.

Gauck erklärte, Hamm-Brücher sei eine der ersten Frauen gewesen, "die in der Politik der Bundesrepublik aktiv waren und selbstbewusst ihren Weg gegangen sind". Die Politikerin habe wie kaum eine andere für einen Liberalismus gestanden, der sich für Bürgerrechte, Zivilcourage und demokratische Kultur einsetzte, schrieb Gauck in einem Kondolenzschreiben an Hamm-Brüchers Tochter Miriam Hamm. "Klug, selbstständig und fair focht sie für ihre Überzeugungen."

EKD-Ratschef: "das glaubwürdige Vorbild einer authentischen Protestantin"

Bundeskanzlerin Merkel sagte, Deutschland verliere mit Hamm-Brücher "eine herausragende Demokratin" sowie "eine der letzten politischen Akteurinnen, die unsere Demokratie nach dem Zweiten Weltkrieg mit aufgebaut haben". Die Politikerin sei "über viele Jahrzehnte hinweg eine der profiliertesten Stimmen und ein Vorbild des politischen Liberalismus in Deutschland" gewesen. Freiheit sei für Hamm-Brücher, die Krieg und Gewaltherrschaft selbst erlebt hatte, "Privileg, aber auch Verpflichtung" gewesen, sagte Merkel. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) betonte, die langjährige FDP-Politikerin habe sich "unermüdlich und leidenschaftlich für unsere Demokratie und gegen Extremismus eingesetzt".

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bayerns Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, würdigte Hamm-Brücher als "authentische Protestantin": "Sie war eine mutige und engagierte Politikerin." Dass der christliche Glaube ihre Richtschnur gewesen sei, habe sie nie verborgen. "Damit war sie für mich und viele andere Menschen das glaubwürdige Vorbild einer authentischen Protestantin", sagte Bedford-Strohm. Neben ihrer politischen Arbeit war Hamm-Brücher ehrenamtlich in der Kirche engagiert: Sie war Mitglied der bayerischen Landessynode wie auch der EKD-Synode und gehörte dem Präsidium des Kirchentags an.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte, mit Hildegard Hamm-Brücher verliere die Bundesrepublik "eine der ersten Frauen, die sich im Auswärtigen Amt und weit darüber hinaus für Demokratie und Freiheitsrechte eingesetzt hat". Die FDP-Politikerin war von Dezember 1976 bis September 1982 Staatsministerin im Auswärtigen Amt.

FDP-Bundesvorsitzender Lindner twitterte kurz nach Bekanntwerden des Todes am Freitagmorgen: "Wir trauern um Hildegard Hamm-Brücher. Sie war eine unbequeme Politikerin im besten Sinne. Wir blicken voller Respekt auf ihr Lebenswerk." 



Die frühere Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, sagte, die Bundesrepublik habe eine "der größten Persönlichkeiten, die wir politisch wie menschlich hatten", verloren. Vor dem Hintergrund ihrer eigenen bitteren Erfahrungen in der NS-Zeit habe sich Hamm-Brücher ein Leben lang für eine freiheitliche und gerechte Gesellschaft eingesetzt. "Mutig hat sie ihre Position, auch gegen den Mainstream in der eigenen Partei, aufrechterhalten", erklärte die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde für München und Oberbayern. Sie sei ihren Prinzipien selbst um den Preis eines Parteiaustritts treu geblieben.

Die Politikerin wurde als Hildegard Brücher 1921 in Essen geboren, als drittes von fünf Geschwistern. Mit elf Jahren wurde sie Vollwaise. In den Kriegsjahren 1940 bis 1945 studierte sie Chemie in München. Sie erlebte, wie sich ihre jüdische Großmutter aus Angst vor Deportation das Leben nahm. Ihr Doktorvater förderte sie, obwohl sie laut Rassengesetzen als "Halb-Jüdin" galt. Sie war Stadträtin in München, Landtagsabgeordnete in Bayern, Staatssekretärin in Hessen, später dann Staatssekretärin im Bundesbildungs- sowie im Außenministerium in Bonn. Dem Bundestag gehörte sie von 1976 bis 1990 an. 2002 trat sie nach antisemitischen Äußerungen des damaligen FDP-Vizes Jürgen Möllemann aus der FDP aus.