Die Protestanten Europas feiern ihre Vielfalt

Gottesdienst in Marien-Kathedrale in Sibiu
Dariusz Bruncz
In einem Gottesdienst in lutherischen Marien-Kathedrale in Sibiu (Hermannstadt/Rumänien) feierten evangelische Kirchen Europas unter dem Motto "Im Licht Christi - berufen zur Hoffnung" gemeinsam ihre Vielfalt und Unterschiede.
Vollversammlung in Sibiu
Die Protestanten Europas feiern ihre Vielfalt
Mit einem internationalen Festgottesdienst in der lutherischen Marien-Kathedrale in Sibiu (Hermannstadt/Rumänien) wurde ist das Treffen evangelischer Kirchen Europas unter dem Motto "Im Licht Christi - berufen zur Hoffnung" eröffnet worden. 

In dem mehrsprachig und musikalisch gestalteten Abendmahlsgottesdienst wurde die Vielfalt evangelischer Spiritualität zum Ausdruck gebracht und die Einheit evangelischer Christenheit gefeiert, was in der Reformationszeit alles andere als selbstverständlich war.

Dieses Jahr feiert die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) den 50. Jahrestag der Leuenberger Konkordie, die zwar theologische Streitigkeiten zwischen Lutheranern und Reformierten beim Abendmahlsverständnis nicht ausgeräumt, aber in versöhnter Verschiedenheit in Verbindung gebracht hat, so dass evangelische Christen verschiedener Konfessionen trotz bestehender Unterschiede gemeinsam Abendmahl feiern können. 

Die Dynamik der Vielfalt und Einheit betonte auch der Prediger und zugleich der amtierende GEKE-Präsident Pfarrer John P. Bradbury von der Vereinigten Reformierten Kirche in Großbritannien. 

Begrüßung und Abschied

Im Gottesdienst wurden vier neue Mitgliedskirchen willkommen geheißen: die Evangelisch-Lutherische Kirche in Georgien, die Deutsche Evangelisch-Lutherische Kirche in der Ukraine, die (lutherische) Kirche von Island sowie die Deutsche Evangelisch-Lutherische Kirche in Lettland. Die Vertreter:innen der neu aufgenommen Kirchen stellten sich kurz vor und übergaben symbolische Geschenke. Den größten Beifall erntete der Synodenpräsident der ukrainischen Kirche Pfarrer Alexander Gross , der eine mit einer ukrainischen Fahne verzierten Patrone übergab. "Wir freuen uns, ein Teil der europäischen Familie zu sein. In unserem Leben gibt es Krieg, aber auch im Krieg gibt es Leben", betonte Gross . 

Das symbolische Geschenk von der ukrainischen Kirche an die Gemeinschaft überreichte Pfarrer Gross : eine mit einer ukrainischen Fahne verzierten Patrone.

Zum ersten Mal hat sich eine Kirche entschieden, die GEKE zu verlassen. Es handelt sich um die Evangelisch-Lutherische Kirche in Lettland, die schon seit Jahren einen erzkonservativen Kurs verfolgt. Als die erste lutherische Kirche weltweit machte sie die Frauenordination rückgängig und entschied sich durch ihre neuen Bündnisse dem konservativen Altluthertum anzuschließen. Mit der jüngsten Aufnahme der kleinen Deutschen Evangelisch-Lutherischen Kirche in Lettland bleibt die GEKE-Präsenz im baltischen Staat jedoch bewahrt.

Trotz der ausgesprochenen Einladungen blieben dem GEKE-Gottesdienst ökumenische Vertreter aus der römisch-katholischen und der Rumänisch-Orthodoxen Kirche fern. Der Repräsentant des Päpstlichen Dikasteriums zur Förderung der Einheit der Christen sagte seine Teilnahme an der Vollversammlung kurzfristig ab. 

Noch vor der rechtlichen Feststellung der Beschlussfähigkeit der Vollversammlung wurde der Rückzug ungarischer reformierter Kirchen thematisiert. Die ungarisch-reformierte Kirche in Rumänien sowie ihre Mutterkirche aus Ungarn erklärten, sie wollten offiziell der Vollversammlung fernbleiben und entsandten nur einen Beobachter. 

Eklat um Initiative von Ungarn

Der Grund für den Eklat war die von der GEKE-Leitung abgelehnte Bitte der Ungarn, das Studiendokument zur Sexualität, Ehe und Geschlecht aus der Plenarsitzung zurückzuziehen. Der Rat der GEKE bedauerte den Schritt und betonte, sie wolle mit den ungarischen Geschwistern weiterhin im Dialog bleiben und wisse zu schätzen, dass sie weiterhin an ihrer Mitgliedschaft in der GEKE festhalten. 

Am zweiten Versammlungstag wurden Berichte zu vier Studiendokumenten vorgestellt – Christliches Reden von Gott; Die Theologie und die Praxis des Abendmahls; Kirche und Demokratie sowie das oben erwähnte umfangreiche (410 Seiten) Dokument zur Sexualität- und Geschlechterfrage. Die Texte werden in thematischen Arbeitsgruppen bearbeitet und notfalls auch Veränderungen vorgenommen. 

Die Delegierten hörten auch Berichte des Rates und des Generalsekretärs Pfarrer Mario Fischer (Wien) und wurden mit der neuen GEKE-Strategie für 2024-2030 vertraut gemacht. 

Im Plenum wurde auch das neue Buch "Entscheidungsräume. Die Architektur evangelischer Synodenbauten" vorgestellt. In dem eindrucksvoll herausgegebenen Bildband wurden die evangelischen Synodengebäude in Italien, Schottland, Ungarn, Irland und Deutschland skizziert, die für die synodalen Identitäten des evangelischen Christentums stehen und die herausragende Bedeutung des Miteinanders im kirchlichen Entscheidungsprozess illustrieren. 

Bis Ende der Woche wird der neue Rat der GEKE gewählt. Die GEKE repräsentiert 96 Kirchen lutherischer, reformierter, unierter und methodistischer Tradition aus 30 Ländern, die sich gegenseitig als Kirchen anerkennen und in voller Amts- und Abendmahlsgemeinschaft stehen.