In der Studie hat die "Gesellschaft für sozialwissenschaftliche Analyse – Beratung – Evaluation ProVal" untersucht, welche Zusammenhänge es zwischen Kirchenmitgliedschaft und Glaube einerseits und Haltungen gegenüber Judentum, Islam und Homosexualität andererseits gibt. In drei Kirchengemeinden (westdeutsche Großstadt, ostdeutsche Kleinstadt und süddeutsches Dorf) haben die Sozialwissenschaftler Einzelinterviews und Gruppendiskussionen zu "Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit" geführt. Die Studie ist qualitativ, nicht quantitativ – das heißt, die Forscher wollten etwas verstehen, nicht messen.
Das Ergebnis formuliert die EKD so: "Wo der christliche Glaube ein persönliches Gottesverhältnis mit Orientierung an der Würde des menschlichen Gegenübers verbindet, kann er eine Ressource der Widerstandkraft gegenüber intoleranten, abgrenzenden Haltungen darstellen. Wo der christliche Glaube mit religiösen Absolutheitsansprüchen anderen Religionen gegenüber verbunden ist, kann dies andererseits zu intoleranten, abgrenzenden Haltungen führen." Für tolerante oder intolerante Haltungen spielen neben dem Glauben auch andere Faktoren eine Rolle, zum Beispiel die Grundorientierung der Gemeinde, das Wohnumfeld, das Bildungsniveau oder Traditionen.
Beim Reden alle Meinungen zulassen
Besonders wichtig, wenn es darum geht, offenere Einstellungen zu fördern, ist die Diskussionskultur in den Kirchengemeinden. Die Autoren der Studie sprechen von einer "intoleranten Kultur der Toleranz", wenn ein Kirchenvorstand betont offen ist und das auch nach außen darstellt, innerhalb der Gemeinde aber keinen Raum für abweichende Haltungen lässt. Echte Debatten finden dann erst gar nicht statt und Menschen mit weniger toleranten Meinungen fühlen sich ausgegrenzt.
Umgekehrt gibt es – eher in der dörflichen Gemeinde – die "tolerante Kultur der Intoleranz". Hier gibt es zwar "großes Verständnis für abweichende Positionen und Meinungen" und sie können geäußert werden, was allerdings nicht zu einer insgesamt offeneren Haltung der Gemeinde führt. Damit eine "Stärkung von toleranzfördernden und menschenfreundlichen religiösen Bezugspunkten und Begründungszusammenhängen (…) gelingt, muss so ein Diskurs aber offen geführt und angemessen fachlich und seelsorgerisch begleitet werden", lautet eine Schlussfolgerung der Autoren.
Die Sozialwissenschaftler haben bei ihren Gesprächen in den drei Gemeinden festgestellt, dass vielen Menschen Informationen und persönliche Erfahrungen fehlen, wenn es um Juden, Muslime oder Homosexuelle geht. Eine Schlussfolgerung des Rates der EKD lautet deshalb: "Möglichst viele Menschen mitzunehmen, erfordert Bildung und Dialog." Allerdings kann die EKD offenbar selbst wenig dazu beitragen: Äußerungen der übergeordneten kirchlichen Ebenen seien in den Gesprächen als "abgehoben" kritisiert worden, heißt es in der Studie. Deswegen spielten "Informationen der EKD und Diskussionen auf der Ebene der EKD in diesem Zusammenhang praktisch keine Rolle".
Die EKD will nun als Konsequenz Material für die Bildungsarbeit sichten und weiterentwickeln sowie in den Landeskirchen und Gemeinden das Gespräch über Glauben und Spiritualität anregen – mit Schwerpunkt auf der "Förderung menschenfreundlicher, nicht abgrenzender politisch-kultureller Haltungen". Die Synodale Karla Groschwitz stellte bei der Tagung in Magdeburg außerdem den Antrag, der Rat der EKD möge die Kirchengemeinden darin unterstützen, "Schulen der Demokratie" zu werden, er möge eine Akademietagung veranstalten, um die Ergebnise der Studie zu diskutieren und er möge darauf hinwirken, dass bei künftigen Kirchenmitgliedschaftsuntersuchungen vergleichbare Daten zgesammelt werden, damit sie über längere Zeiträume miteinander verglichen werden können. Über den Antrag berät zunächst ein Ausschuss der Synode.